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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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nicht gerade entzückt, katholische Ausländer am Hof zu haben. Unsere Königin ist so damit beschä f tigt, ihre gelangweilten französischen Gäste zu zerstre u en, dass er einen Teil ihrer Arbeit macht.«
    »Die Königin arbeitet?«
    »Oh ja. Der ganze Flügel des Schlosses, in den du dich verirrt hast, ist nur für die Verwaltung des Landes da. Der Reichssaal wurde eigens dafür gebaut, die Vertreter der vier Stände zu Ratschlüssen und Audienzen zu em p fangen. Königin Kris t ina ist eine kluge Frau – klug g e nug, um zu wissen, dass man nichts, was gut getan we r den soll, aus der eig e nen Hand legen sollte. Und wenn, dann nur in die Hände von Menschen, die am richtigen Ort das Richtige tun.«
    »Dann hat sie sich bei mir geirrt«, meinte Elin und wischte sich die Nase ab. »Ich komme mir vor wie ein Spielzeug, das sie mitgenommen hat – nur um es dann zu vergessen.«
    Helga Lundell lächelte wieder.
    »Die Königin hat dich nicht vergessen.« Überrascht sah Elin ihr Gegenüber an, aber das freundliche, unb e wegte Gesicht gab kein Geheimnis preis.
    »Heute haben wir noch einiges zu tun«, fuhr Helga fort. »Du kannst dir bei mir gerne ein paar Öre verdienen. Wenn die Herrschaften von ihrer Schlittenfahrt zurüc k kommen, werden sie hungrig sein. Bringe mir die weißen Servietten dort vom Regal.«
    Mit dem Küchendienst, den Elin zu verrichten g e wohnt war, hatte Helgas Arbeit so wenig gemein wie das Ausmisten des Stalls mit der hohen Reitkunst. Hier ging es darum, die Nahrungsmittel zu einem Kunstwerk anz u richten. Elin polierte silberne Salzschälchen und lernte Servietten in der Form von fliegenden Tauben zu falten. Und bald saß sie mit glühenden Wangen vor dem Schwanengestell und klebte dem Tier Feder für Feder an die ausgestopfte Brust. Nach und nach nahm der Vogel Gestalt an. Harz verklebte Elins Finger und Helga reichte ihr ein großes Tuch. Es hatte bräunliche Flecken, die süß und fremd dufteten. Elin prüfte, ob die Rückseite sauber war, und band es sich wie eine Schürze um die Taille, um den kostbaren Stoff ihres Kleides zu schützen.
    In diesen wenigen Stunden, in denen sie Splitter von duftendem Konfekt kosten durfte, lernte sie von Helga mehr über die Speisen, die Abfolge von Tellern und Gl ä sern, als sie je in ihrem Leben über irgendetwas gewusst hatte. Bald schallten Rufe durch die Gänge: »Die Her r schaften sind von der Jagd zurück!«, und ein wenig sp ä ter: »Wo bleibt der Wein?«
    Und dann ein weiterer, schriller Ruf, der Elin vor Schreck beinahe die silberne Konfektschale aus der Hand gleiten ließ.
    »Elin!«
    Lovisa war so blass, dass sie mit den weißen Haaren wie ein Gespenst aussah. »Im ganzen Schloss habe ich dich gesucht!« Mit zwei Schritten war sie bei Elin und zerrte sie einfach hinter sich her. »Und wie du aussiehst«, zeterte sie. »Sogar Harz hast du in den Haaren!«
    »Lass mich los, Lovisa!«
    »Den Teufel werde ich tun! Wenn du noch einmal wegläufst, sperre ich dich ein, verstanden?«
    »Aber du hast mich doch selbst weggeschickt.«
    »Aha, wir verstehen die Dinge jetzt nur noch so, wie wir sie verstehen wollen, ja? Glaub ja nicht, dass du d a mit durchkommst!« Grob zerrte sie Elin hinter sich die Treppen hoch. »Die Königin will dich morgen Früh in ihrer Kanzlei sehen.«
    »Wirklich?«
    »Freu dich nicht zu früh! Lieber Gott im Himmel, wie soll ich dir nur bis morgen Benehmen beibringen?«
    Inzwischen lief Elin so schnell, dass sie Lovisa übe r holte. Im ersten Stock musste sie warten, bis die alte Hofdame ihr hinterhergeschnauft kam. Schon wollte sie um die Ecke weiterlaufen, als sie wie festgenagelt st e hen blieb. Musik und Gelächter schallten über den Gang, die Flügeltüren zu einem Zimmer standen weit offen – und davor, an einem der hohen Fenster, stand der junge Ma r quis mit zwei Höflingen und der blassen Madame To u lain. Im selben Moment, als Lovisa Elin erreichte, entdeckte er die be i den. Sein Lächeln kühlte sofort ab.
    Er nahm Lovisas Gruß mit einem arroganten Nicken entgegen und verschränkte die Arme. Sein Blick wande r te von Elins verklebtem Haar über ihre Wange, auf der er etwas sehr Amüsantes zu entdecken schien.
    »Mach deinen Knicks«, raunte ihr Lovisa zu. Elin machte den Mund auf, um zu erwidern, dass sie eher bis zum Ende ihrer Tage im Kerker sitzen würde, als etwas Unglaubliches geschah. Der Marquis machte eine elega n te Handbewegung und zog mit seinem Fuß einen zierl i chen Halbkreis. Das schmerzende

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