Der Spiegel der Königin
Knie bereitete ihm Mühe, aber trotz des Stocks, auf den er sich stützte, e r kannte man, dass es eine ironisch übertriebene Verbe u gung darstellte. Zweimal klopfte er mit seinem Stock auf den Boden und rief im Ton eines Haushofmeisters: »R e gardez la reine de la cuisine!«
Die verblüfften Gesichter der Höflinge lösten sich aus der Erstarrung. Schallendes Gelächter ergoss sich über Elin wie ein Trog voll schmutzigem Waschwasser. Fi n ger deuteten auf ihren Rock – und erst als sie an sich h e runtersah, erkannte sie, dass sie immer noch die fleckige Schürze trug.
Der junge Marquis bog sich vor Lachen. Nur mühsam brachte er einen weiteren Satz heraus, der die Höflinge noch mehr entzückte. Sie klatschten und riefen »La re i ne! La reine avec le concombre!«
Madame Joulain war die Einzige, die nicht lachte. Sie sandte Elin einen mitleidigen Blick zu und rauschte an den Herren vorbei ins Musikzimmer. Nur zögernd folgte ihr die Hofgesellschaft. Zwei Diener schlossen die Fl ü geltüren.
»Nun, die Regeln der Höflichkeit musst du noch üben«, sagte Lovisa wütend.
»Ich ? Er hat mich verspottet und gesagt, ich sei die Königin der Küche!«
»Nun, ganz Unrecht hat er damit wohl nicht, oder?« Mit einer unwirschen Bewegung riss Lovisa ihr die Schürze herunter, knüllte sie zusammen und wischte Elin damit etwas von der Wange. Wie gelähmt blieb Elin st e hen, bis die Kammerfrau sie bei den Schultern nahm und zwang weiterzugehen. Erst nach einigen Schritten stutzte Lovisa und blieb stehen.
»Du hast verstanden, was er gesagt hat?«
»Nur diesen Satz.«
»Wer hat dir das beigebracht?«
»Niemand«, antwortete Elin kläglich. »Ich höre nur zu. Wenn ich etwas nicht verstehen soll, redest du immer auf Französisch.« Es war unglaublich, aber Lovisa war tatsächlich sprachlos. »Aber das andere habe ich nicht verstanden«, entschuldigte sich Elin. »Was hat er noch gesagt?«
»Das willst du nicht wissen.«
»Sei doch nicht so böse auf mich, Lovisa!«
»Ich bin nicht böse«, entgegnete Lovisa zu ihrem E r staunen. »Du benimmst dich so, weil du es nicht besser weißt. Andere dagegen …«
Mit hektischen Fingern ordnete sie ihre Schläfenl o cken und gewann ihre Fassung wieder zurück.
»Also gut, ich sage es dir. Er hat vorgeschlagen, man solle dir eine Rübenkrone schnitzen. Und als Zepter gebe man dir eine Gurke in die Hand, damit du standesgerecht über deinesgleichen herrschen kannst. Nun, den Tonfall brauche ich wohl nicht zu übersetzen.«
Keiner von Gretas Schlägen hatte je so geschmerzt. Elin biss sich so fest auf die Unterlippe, dass es wehtat. Sie musste sich mehrmals räuspern, um den Satz, den sie sagen wollte, herauszubringen.
»Ich … möchte seine Sprache erlernen, Lovisa. Kannst du mir helfen? Dafür gebe ich dir den Riksdaler und die zwei Öre, die ich heute verdient habe.«
Die alte Kammerfrau sah sie mit offenem Mund an. Musik und Gelächter drangen durch die Tür. Nach einer Weile glätteten sich Lovisas zerknitterte Lippen zu einem Lächeln. Sie sah sich nach der geschlossenen Tür um.
»Das Verbeugen werde ich dir dennoch nicht ersparen können«, sagte sie leise. Mit einem Mal trat sie an Elin heran und nahm sie fest bei den Schultern. Auch Lovisa, stellte Elin fest, hatte Drachenaugen. »Behalte dein Geld und versprich mir dafür eins. Wenn ich dir genug Fra n zösisch beigebracht habe, dann zahlst du Monsieur Henri diesen Riksdaler, der ihm sein Leben wert war, Wort für Wort zurück.«
Gespenster
Der Gang war so zugig, dass die Flammen der Kerzen in den bronzenen Wandhalterungen bedrohlich flacke r ten. Hinter den Fenstern war es noch schwärzeste Nacht. Mit fünf schweigsamen Gestalten wartete Elin vor der mäc h tigen Flügeltür. Sie wurde von zwei Gardisten b e wacht, die genauso müde aussahen wie die Gesellschaft, die sich beim Arbeitskabinett der Königin eingefunden hatte. Drei der Herren mussten Sekretäre sein, denn sie trugen Akten unter dem Arm und hatten Tintenflecken an den Händen. Einer konnte sich ein Gähnen nicht verkne i fen und steckte die anderen damit an. Stühle oder Bänke gab es keine. Es war noch nicht einmal fünf Uhr morgens und Elin fragte sich, ob sie hier wohl warten mussten, bis die Königin erwachte. Das würde sicher nicht vor neun oder zehn Uhr geschehen. Verstohlen musterte sie den jüng e ren der beiden Gardisten. Er war höchstens fünf Jahre älter als sie und wenn sie nicht hinsah, konnte sie aus den
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