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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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weisgemacht, sie halte sich bei Helga auf. Und Helga würde sagen, Elin sei morgens in der K ü che gewesen, wenn jemand fragen würde. Jetzt durfte nur Lars sie nicht entdecken! Verstohlen zog Elin den Hut tiefer in die Stirn. Ihr helles Haar war gut ve r borgen, ein Tuch aus dunkler Seide ließ es noch weniger auffallen.
    Hufgeklapper brach sich an den hohen Wänden. En d lich entdeckte sie einen von den Reitknechten und winkte ihn heran.
    »Wo bleibt das Pferd?«, rief sie ihm zu. »Die Königin wartet!«
    Der Bursche erschrak. »Die Königin? Aber reitet sie denn nicht ihren Ardenner?«
    Elin musste sich überwinden, ihrer Stimme einen scharfen Klang zu geben.
    »Seht ihr ihn hier irgendwo ? Nein, sie hat Graf Ma g nus ausdrücklich um Enhörning gebeten. Also?«
    Würdevoll richtete sie sich auf. Der Reitknecht runze l te die Stirn. »Gut«, sprach sie in gereiztem Ton. »Nenne mir deinen Namen, damit ich weiß, was ich Reitmeister Lars Melkebron sage, wenn er fragt, warum er Enhörning persönlich satteln muss.«
    Es war beinahe zum Lachen, wie gut ihre Täuschung funktionierte. Der Bedienstete wurde knallrot.
    »Ich hole das Pferd«, stammelte er.
    »Beeile dich!«, rief sie ihm hinterher. »Und nimm den Männersattel!«
    Rasch trat sie in den Schatten eines Arkadengangs z u rück und wartete. Ihr Mund war trocken vor Aufregung, aber sie erwiderte das Lächeln eines jungen Adligen, der sie wohlwollend musterte. Gleich darauf warf sie ihm einen zweiten verstohlenen Blick zu. Nein, er war sicher nicht der Mann mit dem Federhut. Wenn nur niemand sie erkannte, bis sie das Schloss verlassen hatte! Um sich die Zeit zu vertreiben, betrachtete sie die Schlitten. Über vierzig waren es – schmale, bunt bemalte Holzschlitten, vor die je ein Pferd gespannt war. In den meisten Gefäh r ten fand nur eine Person Platz. Hölzerne Meerespferde, aber auch geschnitzte Schwäne, Meerjungfrauen und Hirsche schmückten die Schlitten. An den Seiten waren die Wappen der schwedischen Adelshäuser auf g emalt. Die Gesellschaft, die sich im Hof versammelt hatte, war nicht weniger bunt. Graf Per Brahe, der Ho f marschall, hatte ein weißes Pferd vor seinen Schlitten gespannt und trug passend dazu einen mit weißem Pelz verbrämten Mantel. Zobelpelz und Fuchsfell glänzten im Facke l schein. Endlich wurden auch die Reitpferde der Damen in den Hof geführt. Es waren nicht viele Damen, die re i tend an der Jagd teilnehmen würden. Elin zerknül l te vor Aufregung ihre Handschuhe. Endlich – da war ihr Pferd! Enhörning reckte den Hals und spitzte die Ohren. Der Reitknecht, der ihn führte, war völlig außer Atem. Im vorderen Teil des Hofes knallten die ersten Peitschen, Schlitten setzten sich in Bewegung. Als der Festzug den Hof verließ und zum Westtor fuhr, erhoben sich hinter den Fensterscheiben unzählige Arme und winkten dem Tross hinterher. Elin eilte zu dem Reitknecht und griff nach Enhörnings Zügeln.
    »Aber wo ist … ich dachte, die Königin?«, stammelte der Bedienstete.
    »Sie ist eben zu Herrn Brahes Schlitten gegangen«, zischte Elin ihm zu. »Vorher sagte sie noch etwas wie: › Wenn ich den Burschen erwische, der mein Pferd nicht bereitgestellt hat, werde ich seinen Kopf über dem Südtor aufspießen lassen. ‹ Ich führe das Pferd zu ihr – oder willst du, dass sie dich sieht und weiß, wer für die Ve r spätung verantwortlich ist?«
    Der Junge überließ ihr die Zügel, als hätte er sich da r an verbrannt. Elin spürte seinen verängstigten Blick noch, als sie den Hof schon halb überquert hatte. Enhö r ning folgte brav dem Zug des Zügels, bis sie ihn an der Arkadentreppe zum Stehen brachte. Sie musste drei St u fen hochsteigen, um den Steig b ügel zu erreichen. Das Pferd trappelte auf der Stelle. Elin erschrak, doch dann nahm sie allen Mut zusammen, fasste die Zügel und stieg auf.
     
    In den Werkstätten, an denen sie vorüberritten, bran n ten Kerzen, die die Finsternis des Morgens vertreiben sol l ten. Enhörning bewegte sich geschmeidig wie eine Ka t ze. Überrascht stellte Elin fest, dass das Streitross viel leichter zu reiten war als der plumpe Spelaren . Ihre S i cherheit wuchs und sie holte in federndem Trab zu dem Tross auf. An jedem Fenster erschienen Gesichter und bestaunten das Schauspiel auf der Straße. Kinder folgten dem Konvoi und kreischten begeistert, zwischen den Beinen Stöcke oder Besen, die in ihrer Vorstellung zu feurigen Reittieren wurden. »Die da – die reitet wie ein Mann!«, rief

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