Der Spieler (German Edition)
Lektion gelernt.«
Ihre Schritte verklingen in der Finsternis. Musik hallt aus dem Club in dem Hochhaus herab. Die Straße liegt still da. Tranh wartet eine ganze Weile, ob nicht noch andere Jäger auftauchen. Nichts rührt sich. Fast scheint es, als hätte die ganze Stadt dem hilflosen Malay-Chinesen, der da auf der Straße liegt, den Rücken zugewandt. Schließlich verlässt Tranh sein Versteck und hinkt zu Ma Ping hinüber.
Ma bemerkt ihn und streckt eine kraftlose Hand nach ihm aus. »Hilfe.« Er sagt das Wort auf Thailändisch, dann auf Englisch und schließlich auf Malayisch, als wäre er in seine Kindheit zurückgekehrt. Dann scheint er Tranh zu erkennen. Seine Augen weiten sich. Er lächelt schwach; seine Lippen sind aufgeplatzt. Er spricht Mandarin, die Sprache der Kaufleute. » Lao pengyou . Was machen Sie hier?«
Tranh geht neben ihm in die Hocke und mustert sein zerschlagenes Gesicht. »Ich habe Ihr Aufziehmädchen gesehen.«
Ma schließt die Augen, versucht zu lächeln. »Glauben Sie mir jetzt?« Seine Augen sind fast zugeschwollen, und aus einem Schnitt in der Stirn läuft Blut.
»Ja.«
»Ich fürchte, sie haben mir das Bein gebrochen.« Er versucht sich aufzurichten, stöhnt laut und fällt zurück auf das Pflaster. Tastet seine Rippen ab, streicht sich mit der Hand über das Schienbein. »Ich kann nicht gehen.« Als er auf einen weiteren gebrochenen Knochen stößt, keucht er auf. »Was Sie über die Weißhemden gesagt haben, war richtig.«
»Der Nagel, der heraussteht, wird wieder hineingeklopft.«
Etwas in Tranhs Tonfall lässt Ma aufmerken. Er betrachtet das Gesicht des alten Mannes. »Bitte. Ich habe Ihnen etwas zu essen gegeben. Rufen Sie mir eine Rikscha.« Er fasst sich ans Handgelenk, auf der Suche nach der Uhr, die nicht mehr da ist. Was hat er noch zu bieten?
Ist es Schicksal?, fragt sich Tranh. Oder Glück? Er schürzt die Lippen und denkt nach. War es Schicksal, dass seine funkelnde Armbanduhr die Aufmerksamkeit der Weißhemden und ihrer grausamen Schlagstöcke erregt hat? War es Glück, dass er dabei war, um Mas Sturz mitzuerleben? Sind er und Ma Ping noch immer durch ein gemeinsames Karma verbunden?
Tranh hört sich Mas Flehen an und erinnert sich, wie er vor einer Ewigkeit einen jungen Angestellten gefeuert hat – wie er ihn zum Teufel gejagt und ihm erklärt hat, er möge sich bloß nie wieder blicken lassen. Doch damals war er noch ein angesehener Mann. Und jetzt? Jetzt ist ihm nichts mehr geblieben. Wie dem Angestellten, als er ihn hinausgeworfen hat. Er packt Ma unter den Achseln und hebt ihn hoch.
»Danke«, keucht Ma. »Vielen Dank.«
Tranh sucht Mas Taschen ab, systematisch, eine nach der anderen. Vielleicht haben die Weißhemden ja ein paar Baht übersehen. Ma stöhnt und presst einen Fluch hervor, als Tranh ihn anrempelt. Tranh zählt seine Beute, den Bodensatz von Mas Taschen, für ihn jedoch viel Geld. Rasch steckt er die Münzen weg.
Mas Atem kommt in kurzen Stößen. »Bitte. Eine Rikscha. Wenigstens das.« Er bekommt kaum diese Worte heraus.
Tranh legt den Kopf schief und denkt nach. Seine Instinkte liegen miteinander in Widerstreit. Schließlich seufzt er und schüttelt den Kopf. »Ein Mann ist für sein Schicksal selbst verantwortlich – haben Sie das nicht zu mir gesagt?« Er lächelt dünn. »Meine eigenen arroganten Worte aus dem Mund eines unverschämten jungen Kerls.« Wieder schüttelt er den Kopf, voller Verwunderung darüber, wie eingebildet er früher doch war, und zerschlägt die Whiskyflasche auf dem Pflaster. Scherben funkeln im Licht der Methanlampen.
»Wenn ich noch immer ein wohlhabender Mann wäre ...« Tranh zieht eine Grimasse. »Aber ich glaube, über solche Illusionen sind wir beide hinaus. Es tut mir leid.« Er lässt noch einmal rasch den Blick über die dunkle Straße schweifen und rammt Ma dann den Flaschenhals in die Kehle. Ma zappelt hin und her; Blut spritzt in alle Richtungen. Tranh weicht ein Stück zurück – er möchte nicht, dass sein schöner Anzug besudelt wird. Ma schnappt verzweifelt nach Luft, und seine Hände greifen nach dem Glas, das ihm in der Kehle steckt. Dann sinken sie herab. Er hört auf zu atmen.
Tranh zittert am ganzen Körper. Seine Hände zucken, als stünden sie unter Strom. Er hat so viele Menschen sterben sehen, aber selbst getötet hat er fast nie. Und jetzt liegt Ma vor ihm, ein Malay-Chinese, dessen Tod allein seine Schuld ist. Schon wieder. Er kämpft gegen den Brechreiz.
Schließlich wendet er
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