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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Erinnerung, Derek.« Zehn Minuten genügten, um mir das Herz zu brechen, und ich brauchte sechs Monate, um es wieder zusammenzuflicken. Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen. Ich erzählte nicht einmal Susan davon. So, wie ich die Sache sah, hatte ich mich vom ersten Abend an wie ein Flittchen benommen und war dementsprechend behandelt worden. In dieser beschränkten englischen Welt war ich eine Kanadierin, eine Ausländerin also, eine Außenseiterin - Freiwild. Die Tatsache, daß ich das nicht von vornherein erkannt hatte, stempelte mich nur zur Närrin. Jetzt war es an der Zeit, aus Schaden klug zu werden, sonst würde man mir immer wieder weh tun. Doch unter dieser klaren Erkenntnis litt ich und trauerte ich, und eine Zeitlang weinte ich mich abends in den Schlaf und fiel vor meiner Heiligen Mutter, die ich verlassen hatte, auf die Knie, um sie anzuflehen, mir Derek zurückzugeben. Doch das tat sie natürlich nicht, und mein Stolz verbot mir, mich an ihn zu hängen oder noch einmal zu schreiben. Der lange Sommer war zu Ende. Alles, was blieb, war die Erinnerung an ein paar Lieder und an den Alptraum in dem Kino in Windsor, der mich, das wußte ich, mein Leben lang verfolgen würde.
    Ich hatte Glück. Die Stellung, die ich mir erhofft hatte, wurde mir angeboten. Ich bekam sie durch den Bekannten eines Freundes beim Chelsea Clarion, einem glorifizierten GemeindeAnzeiger, der kleine Annoncen brachte und sich als eine Art Vermittlungsblatt bei den Leuten einen Namen gemacht hatte, die im Südwesten von London Wohnungen, Zimmer oder Angestellte suchten. Dem Blatt war ein redaktioneller Teil angegliedert, der sich ausschließlich mit den Problemen befaßte, die den Stadtteil angingen, den häßlichen neuen Straßenlampen, dem Einsatz zu weniger Busse der Linie 11, dem Diebstahl von Milchflaschen - Dinge also, die die Hausfrauen und Familien dieser Gegend betrafen. Dazu kam eine ganze Seite Klatsch aus der Umgebung, die jeder las und deren Verfasser auf unerfindliche Weise bis jetzt Anzeigen wegen Verleumdung entgangen war. Der redaktionelle Teil enthielt stets einen gepfefferten politischen Leitartikel, der genau den politischen Anschauungen der Umgebung angepaßt war. Die Zeitung wurde sehr geschickt von einem Mann namens Harding gestaltet, der das Beste aus den altmodischen Typen machte, die uns unsere armselige Druckerei in Pimlico bieten konnte. Ja, es war wirklich eine nette kleine Zeitung, und das Personal war so begeistert, daß es mit einem Hungerlohn zufrieden war und manchmal, wenn das Anzeigengeschäft nicht blühte, sogar umsonst arbeitete. Ich erhielt fünf Pfund in der Woche, dazu fünfundzwanzig Prozent Provision für alle Annoncen, die auf mein Betreiben hin aufgegeben wurden. Ich stopfte also mein zerrissenes Herz irgendwo hinter die Rippen und beschloß, zunächst einmal ohne auszukommen. Ich wollte mich nur auf meinen Verstand und meine Durchschlagskraft verlassen, um diesen verdammten Engländern zu zeigen, daß ich mir in ihrem Land wenigstens meinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Am Tag ging ich also zur Arbeit und nachts weinte ich und wurde das unermüdlichste Arbeitstier bei der Zeitung. Ich kochte Tee für das ganze Personal, ging zu den Beerdigungen und stellte vollständige und richtige Listen der Trauergäste auf, schrieb spitze Beiträge für die Klatschspalte und überprüfte sogar das Kreuzworträtsel, bevor es in Druck ging. Und in meiner Freizeit machte ich Jagd auf Annoncen, zog selbst den abgebrühtesten Geschäftsleuten Anzeigen aus der Nase und holte mir meine fünfundzwanzig Prozent bei der unwirschen alten Schottin ab, die die Bücher führte. Bald schon verdiente ich recht gut - zwölf bis zwanzig Pfund in der Woche - und der Herausgeber hielt es schließlich für klüger, mir ein Fixum von fünfzehn Pfund in der Woche zu gewähren. Ich bekam ein kleines Büro neben dem seinen und wurde seine Redaktionsassistentin. Diese Stellung brachte offenbar das Privileg mit sich, mit ihm schlafen zu dürfen. Doch als er mich zum erstenmal ins Hinterteil kniff, erklärte ich ihm, ich sei mit einem Mann in Kanada verlobt, und blickte ihn dabei so wütend an, daß er mich von da an in Ruhe ließ. Ich mochte ihn gern und wir kamen gut miteinander aus. Sein Name war Len Holbrook. Er war früher Reporter bei einer Zeitung von Beaverbrook gewesen, doch als er etwas Geld geerbt hatte, war er zu dem Entschluß gekommen, sich selbständig zu machen. Er stammte aus Wales und war, wie die meisten

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