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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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bist. Rühre dich also nicht von der Stelle. Wenn ich rufe, kommst du sofort zu mir. Wenn mir etwas passiert, dann laufe am Seeufer entlang. Flüchte so weit weg wie möglich. Nach diesem Brand wird es morgen hier von Polizisten wimmeln. Du kannst zurückkommen und dich an sie wenden. Man wird dir glauben. Wenn sie dir Schwierigkeiten machen, dann sag ihnen, sie sollen beim CIA in Washington anrufen. Das wird wirken. Sage ihnen einfach, wer ich war. Ich trage eine Nummer, eine Art Erkennungszeichen. 007. Merke dir diese Nummer.«
    13
    »Sage ihnen, wer ich war ... «
    Warum hatte er es so ausdrücken müssen? Man soll düstere Gedanken niemals laut aussprechen. Eine Anspielung auf den Tod konnte vom Schicksal mißverstanden werden. Sie könnte als Bitte ausgelegt werden.
    Natürlich hatte James Bond das gar nicht so ernst gemeint. Er hatte es ausgesprochen wie eine Aufforderung, die Daumen zu drücken, oder wie die Skifahrer auf dem Kontinent, die ihren Freunden vor der Abfahrt Hals- und Beinbruch wünschen. Dieser Wunsch sollte Unfälle abwenden und war keineswegs als böser Fluch gemeint. James Bond hatte auf britische Art das gleiche getan, leichtfertig das Schlimmste heraufbeschworen, um mir Mut zu machen. Nun, ich wünschte, er hätte es nicht getan. Schüsse, Gangster, Mordversuche gehörten zu seinem Beruf, zu seinem Leben. Doch ich hatte nie etwas damit zu tun gehabt, und ich machte es ihm zum Vorwurf, daß er nicht rücksichtsvoller gewesen war. Wo war er jetzt? Was taten seine Feinde? Warteten sie in einem Hinterhalt auf ihn? Würden plötzlich Schüsse krachen, gefolgt von wilden Schreien?
    Ich gelangte zu Nr. 3 und tastete mich an der Wand des Autoabstellplatzes entlang. Vorsichtig spähte ich um die Ecke, beobachtete, wie Flammen das Hauptgebäude einhüllten. Keine Menschenseele war zu sehen, nichts rührte sich, nur ab und zu stoben Funken auf, wenn der Wind die Flammen erfaßte. Das Feuer streckte seine heißen Finger schon nach den Bäumen hinter dem Gästegebäude aus, rotglühender Regen ergoß sich über die dampfenden Zweige. Wenn es vorher nicht so heftig geregnet hätte, wäre ein Waldbrand ausgebrochen. Wie weit hätte er sich wohl ausgebreitet? Zehn Kilometer? Fünfzehn? Wie viele Bäume, Vögel und Tiere wären wegen des Mädchens, das eine Lampe umgestoßen hatte, ein Opfer der Flammen geworden?
    Wieder stürzte ein Teil des Daches über dem Gästegebäude ein, wieder sprühten knisternde Funken in die Luft. Und jetzt gab auch das holzgedeckte Dach des Hauptgebäudes nach. Langsam senkte es sich nach unten und fiel in sich zusammen. Im Auflodern der Flammen sah man die beiden Wagen neben der Straße, den grauen Thunderbird und die glänzende schwarze Limousine. Doch nirgends war eine Spur der Gangster zu sehen, nirgends eine Spur von James Bond. Plötzlich wurde ich mir bewußt, daß ich überhaupt nicht mehr an die Zeit gedacht hatte. Ich blickte auf meine Uhr. Es war zwei Uhr. Erst vor fünf Stunden hatte dieser Spuk begonnen. Mir schienen es Wochen zu sein. Mein früheres Leben schien Jahre zurückzuliegen. Alles war plötzlich ausgelöscht worden. Ich hatte ein Gefühl, als befände ich mich auf einem sinkenden Schiff, im Zentrum eines Zugunglückes, eines Erdbebens oder eines Wirbelsturms. Die schwarzen Schwingen der Gefahr verdüstern den Himmel, es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr. Man klammert sich an jeden Augenblick, durchlebt jede Sekunde, als wäre es die letzte. Und dann sah ich die Männer! Sie schritten über das Gras auf mich zu, und jeder von ihnen trug einen großen Fernsehapparat. Sie mußten sie vor den Flammen gerettet haben, um aus ihrem Verkauf eine kleine Nebeneinnahme zu erzielen. Sie gingen nebeneinander her, der Magere und der Kahlköpfige, und der Widerschein der Flammen lag auf ihren schweißüberströmten Gesichtern. Wo war James Bond? Jetzt war der ideale Augenblick, sie zu fassen. Sie hatten jetzt beide ihre Hände voll.
    Sie waren nur noch zwanzig Meter von mir entfernt, schlugen einen Bogen nach rechts, um zu ihrem Wagen zu gelangen. Ich kroch in den Schatten des Abstellplatzes. Doch wo blieb denn nur James? Sollte ich hinter ihnen herlaufen und allein versuchen, sie aufzuhalten? Das war Wahnsinn. Wenn meine Schüsse nicht trafen - und sie würden bestimmt nicht treffen -, dann war es um mich geschehen. Wenn sie sich jetzt umdrehten, würden sie mich dann entdecken? Würde mein weißer Overall in der Dunkelheit aufleuchten? Ich zog mich noch

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