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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcelo Figueras
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geschoben und Dumonts Drängen nachgegeben, ins Cienfuegos mitzukommen. Dass Dumont der Kaschemme noch immer die Treue hielt, war für Nadal ein weiterer Beweis für dessen jugendlichen Snobismus. Dumont wollte allen zeigen, dass er sich auch in einem Lokal bewegen konnte, in dem die Unterschicht verkehrte.
    Der Arbeitstag hatte sie beide geschlaucht: die Fahrt zum Tatort und zurück, die Handschrift des Todes und der ganze bürokratische Aufwand, der zu ihren Pflichten gehörte; doch schon die Art, wie jeder mit dem Erlebten umging, zeugte von völlig unterschiedlicher Lebenseinstellung. Nadal verhielt sich bei einem Mordfall still und professionell. Nach all den Jahren im Polizeidienst war er zur Überzeugung gelangt, dass seine Arbeit weniger der Wahrheitssuche diente als dazu, den Bedürfnissen der Begräbnisinstitute Genüge zu tun: Er ordnete alles so, dass die Statistik stimmte und die möglichst schnelle Freigabe der sterblichen Überreste gewährleistet war.
    Dumont hingegen war ebenso enthusiastisch wie zerstreut. Die makabren Details des Falls versetzten ihn in einen Zustand der Erregung, den er nur schwer unter Kontrolle bringen konnte. Das viele Blut, die Amputationen und die Anzeichen für einen langen Todeskampf – das war die Art von Schauspiel, die ihn als Anfänger fesselte.
    »Und außerdem«, fuhr Dumont fort, »wird er auf Schritt und Tritt überwacht.«
    »Dieser Benet …«
    »Er ist direkt dem Polizeichef unterstellt. Das weiß ich aus verlässlicher Quelle.«
    »Ein Schlächter.«
    »Warum hat der Polizeichef ausgerechnet so ein Tier auf Van Upp angesetzt? Er ist seiner Aufgabe doch gar nicht gewachsen.«
    »Vielleicht dient er einfach als eine Art Sicherheitsventil. Wenn Van Upp irgendeine Grenze überschreitet, wenn er sich beispielsweise lächerlich macht, bei einem Verrückten weiß man ja nie, was? Oder wenn er Leute ins Verbrechen mit hineinzieht, die da nicht hineingezogen werden sollen … dann kann Benet …«
    »Das bestätigt doch nur, was ich eingangs gesagt habe«, meinte Dumont. »Von wegen Wahrheit und Gerechtigkeit. Dem Polizeichef geht es genau darum, worum es uns allen geht. Benet. Ihnen. Mir. Dass der Sturm vorüberzieht und wir alle noch auf unseren Stühlen sitzen.«
    Nadal stürzte den Schnaps hinunter. Wenn ihn, abgesehen von der Unruhe und der Redseligkeit, etwas an Dumont störte, dann dass er allein auf dem Lektüreweg zu Schlussfolgerungen kam, für die er selbst jahrelang Erfahrung hatte sammeln müssen.
    »Wo ist Nora? Ich dachte, ich hätte sie hereinkommen sehen«, sagte Nadal.
    »Sie ist Zigaretten holen.«
    »Nora raucht? Seit wann?«
    »Van Upp raucht.«
    »Solange er nicht wieder den Hafen anzündet …«
    Dumont lachte.
    »Ich glaube, ich gehe jetzt besser«, sagte Nadal erschöpft.
    »Gefällt Ihnen das Cienfuegos nicht? Hier kommt man an so manche Information …«
    »Für mich gilt: Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps.«
    »Don Ciro hat ein gutes Auge, was seine Gäste angeht«, sagte Dumont.
    »Soll das etwa heißen, ich sei ein Spitzel?«, sagte Ciro Chomón verärgert. Dumont ging auch ihm auf die Nerven.
    »Nein, ich wollte nicht sagen …«
    »Ich weiß, was Sie sagen wollten. Und das gefällt mir genauso wenig.«
    Dumonts Wangen wurden rot. Aber er gehörte nicht zu denen, die sich sofort geschlagen geben.
    »Ist das so, Don Ciro?«, fragte er. »Wenn Sie wüssten, da sitzt ein Verbrecher, würden Sie es dann für unehrenhaft halten, ein paar Informationen …«
    »Das ist ein Lokal. Ich verkaufe Getränke. Was mich angeht, gibt es nur ein Verbrechen: wenn einer die Zeche prellen will. Und in dem Fall verfüge ich über eine ganze Reihe an Mitteln, bevor ich das Gesetz in Anspruch nehme.«
    »Es ist doch nichts Schlimmes daran, auf der Seite des Gesetzes zu stehen«, sagte Dumont.
    »Aber auch nichts Gutes.«
    »Warum denken Sie das?«
    Chomón machte zwei Schritte auf Dumont zu. Der verstand die Botschaft und schaute tief in sein Bierglas.
    Nadal klopfte ihm auf die Schulter und kletterte von seinem Barhocker, er wollte gehen.
    »Er ist Kriegsveteran«, sagte Nadal und deutete auf die Fotos an der Wand. »Er nutzt den Verlust eines Beines, um andere Verluste zu rechtfertigen. Den des Gewissens, zum Beispiel.«
    Chomóns Gesicht verzerrte sich. Zufrieden legte Nadal einen Geldschein auf die Theke und drehte sich um.
    »Da war ein Mann.«
    Stille. Chomón schien von seiner eigenen Redseligkeit überrascht.
    »Was meinen Sie?«
    »Na, ein

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