Der Spion der Zeit
hatte einen Fuchs als Haustier. Und eines Tages hat der Fuchs ihn gebissen. Spenser ist eigens nach Paris gereist, um sich von Professor Pasteur persönlich behandeln zu lassen. Aber die Behandlung war äußerst langwierig und wohl allzu streng zu befolgen, also kehrte er zurück.«
»Was ist das? Hören Sie das?«
»Hunde. Das passt ja. Spenser starb in diesem Haus. In der Dachkammer. Das Hausmädchen und der Diener erstickten ihn mit einem Kissen, weil sie sein Heulen nicht länger ertragen konnten.«
»Seien Sie still.«
Es war nicht nur Hundegebell. Man hörte auch Rufe. Einer davon galt ihm.
Nadal und M rannten los, die Taschenlampen in der Hand. In heller Aufregung kam ihnen der Rotschopf H entgegen.
»Die Hunde! Ich habe sie wühlen gesehen und mich gefragt …«
Nadal bahnte sich einen Weg durch die Polizisten, die um den Fund herum standen. Ein von Hundekrallen frisch aufgewühlter Fleck im Gras. H lief an Nadal vorbei und sank auf die Knie.
»Sehen Sie sich das an«, sagte er.
Nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche lag ein seltsames Gebilde. H hob es mit den Fingern an wie einen Deckel; es handelte sich um ein Stück getrockneten und hart gewordenen Stoff. Darunter erkannte man die gelblich schimmernde Rundung eines menschlichen Schädels.
»Die Leiche liegt schon zu lange dort«, sagte Nadal.
»Und außerdem haben wir es hier nicht mit einem Erwachsenen zu tun«, sagte M. Er nahm den Schädel und hielt ihn H direkt vors Gesicht, der zuckte zurück. In der Tat, es sah aus wie ein Spielzeug. »Das Überbleibsel einer unerwünschten Schwangerschaft. So was kommt hier nicht selten vor.«
Nadal klopfte H auf die Schulter, der immer noch auf dem Rasen kniete.
Die Ankunft zweier Polizeiwagen unter Sirenengeheul riss sie aus ihrer Selbstversunkenheit. Das Spektakel, das in der Stadt an der Tagesordnung war, wirkte auf diesen staubigen Wegen unangemessen, schon fast skandalös.
M stellte Nadal den Polizisten vor, der das erste Auto fuhr, und dieser ihnen den Mitfahrer auf der Rückbank. Es handelte sich um einen alten Mann mit verschlissener Kleidung, der seinen Hut gegen die Brust drückte, als wollte er vermeiden, dass sein Herz heraushüpfte.
»Der Herr ist der Hausmeister der angrenzenden Estanzia«, sagte der Polizist. »Er sagt, er habe … hm … etwas entdeckt, und es könnte das sein, was wir suchen. Er war so klug, nichts anzurühren, stimmt’s?«, sagte er, und der Alte nickte ernst.
Nadal entfernte sich von dem Wagen. Mit einem Mal saß ihm die gesamte Müdigkeit im Nacken, als wäre die Nachricht das Signal gewesen, auf das er gewartet hatte, um endgültig die Segel zu streichen. Doch der Polizist packte ihn am Arm und hielt ihn zurück.
»Er sagt, wir sollen uns beeilen. Es wäre besser …«
»Wenn es sich um die vermutete Person handelt und sie sich im erwarteten Zustand befindet, wird sie uns schon nicht weglaufen, oder?«
»Aber es stimmt, was der Mann sagt. Wenn wir nicht rechtzeitig hinkommen …«
»Was ist, wenn wir nicht rechtzeitig kommen?«, fragte Nadal, der allmählich die Geduld verlor.
Der alte Mann beugte sich aus dem Fenster und lächelte mit seinem zahnlosen Mund.
»Die Insekten«, sagte er.
X
Während der Fahrt sprach keiner ein Wort. In der ersten Stunde, als sie die Stadt allmählich hinter sich ließen und das Panorama immer ländlicher wurde, konzentrierte Van Upp sich auf die Landkarte. Er überlegte, was Prades dazu veranlasst haben könnte, auf der Hälfte des Weges zwischen seinem Haus und dem Landsitz in Santa Coloma einen Abstecher zu machen.
Dass es dafür scheinbar keinen Grund gab, änderte nichts an den Tatsachen: Nach fast dreitägiger Suche hatten sie Prades’ Leichnam in einem der großen Landhäuser von Ensenada gefunden. Van Upp musste seinen Einfluss geltend machen, damit die dortige Polizei bis zu seinem Eintreffen nichts unternahm; erst, als er ihnen eine halbherzige Zusage abgerungen hatte, machte er sich auf den Weg.
Nora sprach Van Upp nicht an, seit er sich mit Hilfe einer Taschenlampe in die Landkarte vertieft hatte. Sie wartete auf einen passenden Moment, um ihm von Dufresne und dem merkwürdigen Interesse von Kardinal Vicco an ihm zu berichten. Die Visitenkarte des Episkopats mit der Telefonnummer befand sich zwischen den Seiten von Tempus Fugit in ihrer Handtasche.
Als sie die Serpentinenwege in die Berge hinauffuhren, schaltete Van Upp die Taschenlampe aus und schlief, den Hut über die Augen gezogen, ein. Dennoch
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