Der Spion der Zeit
Mund, ungeschickt, aber voller Empathie: Van Upp wäre der richtige Mann! Da gäbe es keinen Zweifel. Er sei gebildet, verfüge über einen scharfsinnigen Verstand und eine so feinfühlige Wahrnehmung, dass man meinte, er sei nicht von dieser Welt. Ein wahrer Künstler! Wenn es jemanden gäbe, dem dieser Fall wie auf den Leib geschnitten sei, dann Van Upp.
Selten in meinem Leben war ich so aufrichtig.
Ich will mir nicht das Verdienst anmaßen, dass man Sie mit der Leitung der Ermittlungen betraut hat. Der Minister wird noch andere befragt haben, wer weiß, wie viele.
Jedenfalls erhielten Sie die höheren Weihen. Und sofort erfüllten Sie meine Hoffnungen: Als Erstes entdeckten Sie die Bibel, aus der ich die Seiten herausgerissen hatte. Dann lasen Sie in Ferrers Garten den Teil der Botschaft, den die Polizisten nicht zertrampelt hatten. Ich konnte es an Ihren Augen ablesen: Sie hatten alles verstanden. Aber Sie hüteten sich, es zu sagen. Da war nur ein kleines Hindernis, das ich in meiner Euphorie nicht einschätzen konnte: Wie könnte ein Ermittler, dessen Geisteszustand angezweifelt worden war, sich dazu bekennen, dass der Mörder, der, der Abelláns und Ferrers Leben ausgelöscht hatte und jetzt Prades und Moliner bedrohte, kein anderer war als Gott höchstpersönlich?
XIII
Die Gasse, in die ich Sie geführt hatte, mein lieber Van Upp, schien eine Sackgasse zu sein. Ich sah, wie Sie die Beweise sammelten und nicht darüber sprachen. Die Logik meines Spiels fraß sich selbst auf. Das Zeichen, das ich mit meinen Verbrechen setzen wollte, war für die Augen der Menschen unsichtbar. Zu unwahrscheinlich oder in jedem Fall zu schrecklich.
Ich hätte es wissen müssen. Wenn der Preis zu hoch ist, wenn uns das Gewissen stärker drückt, als wir es ertragen können, gibt es nur eine Reaktion: wegschauen, das Thema wechseln, so tun, als ob die Sache nicht existierte. Ganze Familien gehen geschniegelt und mit einem Lächeln auf den Lippen zum Bahnhof und besteigen den Zug, der sie geradewegs in die Vernichtung fährt; sie ziehen es vor, den Gerüchten keinen Glauben zu schenken. Ganze Nationen nehmen das Argument hin, es gebe keinen anderen Ausweg als Krieg; sie ziehen es vor, dass jemand für sie entscheidet. Millionen gehen täglich zu einer Arbeit, die sie verabscheuen, dann kehren sie nach Hause zurück, lesen die Abendzeitungen und hören Radio, das ihnen von Leuten berichtet, die intensiver leben als sie; doch sie ziehen die Ruhe ihrer Stellvertreterexistenzen vor. Und ich habe geglaubt, mein kleines Zeichen würde sie dazu bringen, einmal, und wenn auch nur über einen Zerrspiegel, in den Abgrund ihrer Gleichgültigkeit zu blicken. Ich armer Träumer. Niemand dankt es einem, wenn man ihm seine Feigheit vor Augen führt; niemand kann einen Gott lieben, der geflohen ist oder der zurückkehrt, um das zu tun, wozu seinen Geschöpfen der Mut fehlte.
Ich wollte den Kelch leeren, bevor diese Gedanken mir den Mut nahmen. Ich rief Moliner an und brachte einen ähnlichen Vorwand vor wie die anderen Male. Seine Antwort erfolgte rasch, begierig. Einen Moment lang erwog ich, ihn einfach zu töten und basta; mein Zeichen, meine Befindlichkeiten und meine Vorsichtsmaßnahmen zu vergessen, zu seinem Haus zu gehen, meine Dienstpistole auf ihn zu richten und abzudrücken. Ich hatte nichts zu verlieren. Es gab nur einen einzigen Grund, der mich überzeugte, die Phantasie weiter fortzuspinnen: Ich brauchte Zeit. Zeit, um an Prades heranzukommen. Zeit, um den Kreis zu schließen. Und so legte ich die Gegenstände in den Koffer, die ich für den nächsten Schritt ausgewählt hatte. Sie nahmen nicht allzu viel Platz ein. Das einzig Störende war nur ihr Gewicht.
Ich fuhr zum Haus des Henkers Moliner. Er war der frommste, der wortkargste und der älteste der Prätorianer.
Ich hatte Angst. Aber ich wollte ihr kein Gehör schenken. Ich sagte mir, dies würde das leichteste Kapitel der Folge werden. Das war mein größter Fehler. Und definitiv der letzte.
An den Toren der Hölle steht ein Wächter. Sein Name ist Moliner.
Mit einer Willkommensgeste ließ er mich herein.
XIV
Carranzas Brief ging folgendermaßen weiter:
Ich erschien pünktlich zu unserem Treffen. Der Henker führte mich in sein Arbeitszimmer, das ziemlich düster war. Ich fragte ihn, ob er allein sei. »Fast«, sagte er und lächelte, während er sich in seinen Sessel setzte; mir bot er keinen Platz an. Erst da fiel mir auf, dass ich ihn in all den Jahren, in denen
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