Der Spion und die Lady
er so etwas Törichtes tun würde.«
»Ich bin mir da nicht so sicher«, erwiderte Maggie, und zwischen ihren Augen erschien eine nachdenkliche Falte. »Seit unserer Abfahrt aus Paris habe ich mir Sorgen um Robin gemacht.
Seine Briefe waren zwar immer sehr amüsant, dennoch hatte ich immer das Gefühl, als würde er seinen wahren Gemütszustand verbergen. Aber als ich ihn heute abend sah, war er wieder ganz wie früher.« Nach kurzer Pause fügte sie hinzu:
»Nein, noch ausgeglichener.«
»Bist du mit der höchst unzutreffend benannten Maxima einverstanden?«
»Sehr.« Maggie schmunzelte. »Das arme Mädchen sträubte das Fell wie eine zornige Katze, als wir einander vorgestellt wurden, weil sich Robin nicht die Mühe gemacht hatte, ihr zu erklären, wohin er sie brachte, aber im großen und ganzen zeigte sie große Würde. In einer Welt voller Unpersönlichkeiten ist sie eine Persönlichkeit.«
»Ich schlage vor, daß du mit deinen Freundschaftsangeboten ein bißchen vorsichtig vorgehst«, bemerkte Rafe trocken. »Miss Collins könnte über Robins Beziehung zu einer anderen Frau nicht allzu glücklich sein.«
Maggie neigte den Kopf nach hinten und sah zu ihm auf. »Du weißt doch aber sicher, daß du auf Robin nicht eifersüchtig zu sein brauchst? Ich nahm an, ihr wärt Freunde geworden.«
Rafe liebkoste sanft ihren langen Hals. Auch wenn er sich mit der Beziehung seiner Frau zu Robin längst abgefunden hatte, war das für den leidenschaftlichen Mann nicht leicht gewesen.
»Ich bin auch nicht eifersüchtig. Neidisch vielleicht – auf all die Jahre, in denen er dich hatte und ich nicht.«
Sie schüttelte den Kopf, ihre ernsten graugrünen Augen blieben fest auf ihn gerichtet. »Er hatte Maggie, die Spionin. Aber die Umstände, die sie geschaffen haben, gibt es nicht mehr, und sie auch nicht.«
»Das weiß ich. Jetzt bist du Margot.« Rafe beugte sich vor und küßte seine Frau lange und leidenschaftlich. »Und Margot gehört mir.«
Dann hob er sie hoch, trug sie zu ihrem Bett und bewies es ihr auf die profundeste und befriedigendste Weise.
Es war schon sehr spät, als Lord Collingwood das Clarendon Hotel erreichte, aber trotz seiner Erschöpfung fand er keinen Schlaf. Nachdem er sich fast eine Stunde lang erfolglos hin und her gewälzt hatte, richtete er sich auf und griff nach der Brandyflasche auf dem Nachttisch.
In der Dunkelheit nahm er einen tiefen Schluck und dachte über seine Mission nach. Maxima war vielleicht schon in London. Und vielleicht hatte sie sogar bereits die Wahrheit über ihren Vater erfahren. Diese Vorstellung bereitete Collingwood höchste Pein.
Er nahm einen weiteren Schluck. Als wäre die Situation nicht auch so schon skandalträchtig genug, war da noch dieser blonde Scharlatan zu bedenken, mit dem sich seine Nichte eingelassen hatte. Wenn sich dieser Bursche noch in ihrer Gesellschaft befand, wäre er eine weitere Quelle ernsthafter Sorgen. Er müßte auf diese oder jene Art entfernt werden. So schnell wie möglich.
Das Ganze war eine höchst üble Geschichte, von welchem Blickwinkel aus man es auch betrachtete. Was es noch schlimmer machte, war die Tatsache, daß er Maxima trotz ihrer merkwürdigen Erziehung und Herkunft eigentlich sehr gern hatte. Genau deshalb unterwarf er sich all diesen Mühen. Und wenn er keinen Erfolg hätte, würde Althea wieder erklären, alles sei nur seine Schuld, weil er nicht rücksichtslos gewesen war.
Lord Collingwood stöhnte tief auf und verbarg das Gesicht unter dem Kissen. Familie war schon ein Kreuz.
Kapitel 22
DESDEMONA BETRAT IHREN sonnendurchfluteten Salon und genoß das Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Alles wirkte so normal, daß sie fast glauben konnte, die vergangenen Wochen wären reine Einbildung gewesen, das Ergebnis von allzuviel Hummer oder zu vielen politischen Arbeitsessen.
Als draußen vor dem Haus eine Kutsche hielt, spähte sie aus dem Fenster und lächelte. Die breitschultrige Gestalt des Marquis of Wolverhampton war keine Einbildung, die jetzt die Stufen zu ihrer Haustür erklomm. Er hatte zugesagt, ihr zu dieser ungewöhnlichen Vormittagsstunde einen Besuch abzustatten, und jetzt schlug die Uhr elf. Desdemona mochte Männer, auf die man sich verlassen konnte.
Während sie darauf wartete, daß er hereingeführt wurde, klingelte sie nach Kaffee.
Nachdem Begrüßungsworte ausgetauscht und die Kaffeetassen gefüllt waren, sagte Giles: »Mein Bruder ist in London. Vorhin auf der Bank habe ich ihn lediglich um wenige
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