Der Spion und die Lady
sich ab und sah in den Garten hinaus. »Als ich das damals sagte, meinte ich es emotional, nicht finanziell. Geld und Position standen nie zwischen uns zur Debatte.«
»Schmerzt es noch immer, Robin?« fragte sie leise. »Jetzt, da ich sie kennengelernt habe, verstehe ich, warum sie so schwer zu vergessen ist.«
»Der Schmerz gehört der Vergangenheit an.« Er sah Maxie sehr intensiv in die Augen. »Jetzt denke ich nur noch an die Zukunft.«
Jetzt war es an Maggie, in den Garten hinauszublicken. Irgendwie schienen sie sich in einer Art emotionalem Menuett zu bewegen. Einer von ihnen gewann eine Erkenntnis und teilte sie mit, dann trennten sie sich und nahmen das Gehörte in sich auf, bevor sie sich einander wieder näherten. Dann gab es einen nächsten Moment der Enthüllung und eine erneute Entfernung. Aber jedesmal, wenn sie sich aufeinander zu bewegten, kamen sie sich ein wenig näher.
Vielleicht war es notwendig, daß sie mit kleinen Schritten zu Erkenntnissen über den anderen und sich selbst kamen. Mit Sicherheit war Maxie noch nicht bereit, auf Robins letzte Bemerkung einzugehen. Dafür war zuviel geschehen.
Sie drehte sich so, daß sie ihr Spiegelbild in den Terrassentüren sehen konnte. In ihrem schlichten Kleid und mit der eleganten Frisur wirkte sie fast wie eine vornehme Lady aus Boston. Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Verschmutzt und zerzaust?«
»Nicht unbedingt das poetischste Kompliment, aber zutreffend. Das erste…«, Robin begann leise zu lachen, »oder besser gesagt das zweite, was mir an dir auffiel, nachdem du mich in Wolverhampton angefallen hast, war deine Schönheit.«
»Ich habe dich nicht angefallen«, protestierte sie empört. »Ich bin gestolpert. Wenn du nicht da gelauert hättest wie die Schlange im Paradies…«
Grinsend trank er seinen Kaffee aus und stellte die Tasse auf einem Tisch neben den Terrassentüren ab. »Für jemanden, der sich vor der Londoner Gesellschaft gefürchtet hat, bist du erstaunlich keck.«
Sie hob die Brauen. »Du willst mir doch nicht etwa einreden, daß alle Angehörigen der High-Society so sind wie deine Maggie und ihr Mann.«
»Sie wären immer und überall eine Ausnahme«, stimmte er zu. »Aber die Gesellschaft ist lediglich eine Ansammlung von Individuen. London ist extrem unterschiedlich. Man kann Zugang zu einem sympathischen Kreis finden und braucht sich um den Rest nicht zu scheren.«
»Meine Erfahrungen mit der Gesellschaft waren nicht immer so positiv.« Maxie entging die leichte Bitterkeit in ihrer Stimme nicht. Sie überlegte, ob sie das Thema wechseln sollte, besann sich dann aber anders. Es war Zeit für einen weiteren Schritt in ihrem Menuett. »Obwohl die Vereinigten Staaten von Amerika eine Republik sind, sind doch nicht wenige vom Adel fasziniert. Als Sohn eines Lords war mein Vater in vielen der sogenannten ›besseren Familien‹ sehr willkommen. Natürlich hielt man Max für exzentrisch, weil er mit Büchern hausierte und kein Geld hatte. Dennoch wurden wir, wenn wir den Winter in Boston verbrachten, zwei- oder dreimal in der Woche zum Essen eingeladen.
Männer der Kirche, Professoren, wohlhabende Kaufleute – alle hießen den Honorable Maximus Collins willkommen.«
Auch Maxie leerte ihre Kaffeetasse, setzte sie ab und blickte dann wieder in den Garten hinaus.
»An einem dieser Abende hörte ich zufällig ein Gespräch unserer Gastgeberin mit ihrer Freundin mit an. Dabei erfuhr ich, daß Max keine Einladung annahm, wenn ich ihn nicht begleiten durfte.
Doch diesen Nachteil nahm Mistress Lodge in Kauf, um sich an Charme und Herkunft des werten Mister Collins’ erfreuen zu können, doch sobald das kleine Halbblut den Männern irgendwelche Avancen machte, war sie bereit, die Verbindung unverzüglich zu beenden. Gewisse Standards mußten schließlich gewahrt bleiben.
Schwer verständlich, daß ein Gentleman wie Mister Collins eine Wilde heiraten konnte, aber Männer sind nun einmal hilflose Opfer ihrer Lust.«
Maxie warf Robin einen Seitenblick zu. »Und selbstverständlich ist allgemein bekannt, wie wollüstig diese heidnischen Frauen sind.«
Robin unterdrückte einen Fluch. »Wenn das deine Erfahrungen sind, kann deine geringschätzige Meinung über die Gesellschaft kaum überraschen.« Er legte ihr die Hand auf die Schulter. Die angenehme Wärme dieser Berührung machte es Maxie leichter, dies mit einem überlegenen Schulterzucken abzutun.
»Doch so waren nicht alle. In einigen Häusern wurde ich nicht nur
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