Der Spion und die Lady
schon? Ihre aufsteigende Panik tapfer unterdrückend, sagte Maxie: »Heute ist so gut wie jeder andere Tag auch.«
»Wundervoll! Ich bin davon überzeugt, daß Sie sich amüsieren werden.«
Vielleicht, aber selbst das würde nicht ausreichen, den Nebel zu vertreiben, der ihre Zukunft verdunkelte.
Um alle düsteren Gedanken zu verdrängen, deutete Maxie zu dem Fellball auf dem nahestehenden Sessel. »Ist das eine Katze oder ein Muff?«
»Ein Kater. Er heißt Rex.«
Maxie betrachtete das reglose Tier. »Ist er krank?
Seit ich vor anderthalb Stunden hier eingetreten bin, hat er sich nicht gerührt.«
»Keine Angst, er ist nicht tot – nur müde.«
Margot lachte. »Sehr, sehr müde.«
Wohlwissend, daß er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, streckte sich Rex ausgiebig und zeigte einen stämmigen Katzenkörper. Dann rollte er sich auf den Rücken, streckte vier Samtpfoten in die Luft und widmete sich wieder seinem Schläfchen.
Jede noch im Raum hängende Spannung schwand, als die beiden Frauen laut auflachten.
Maxie kam zu der Erkenntnis, daß sie sehr froh war, Margots Freundschaft zu haben – ganz unabhängig davon, was die Zukunft auch für sie bereit hielt.
Maximas Aufbruch ließ Desdemona mit einem mentalen und fast körperlichen Glücks empfinden zurück. Ihr Pflichtgefühl hatte sie auf die Jagd nach ihrer unbekannten Nichte geschickt. Jetzt war es eine Freude, die wahre Maxie zu entdecken, die weit interessanter war als das geistlose Mädchen ihrer Vorstellung, das Desdemona retten zu müssen geglaubt hatte.
Während ihrer Unterhaltung war Desdemona zu der Erkenntnis gelangt, daß ihr Bruder in dem von ihm gewählten exzentrischen Leben Erfüllung gefunden hatte. Und diese Erkenntnis stimmte sie zufrieden. Vielleicht lag es an London, daß Max bei seinem Besuch so zerstreut gewirkt hatte.
Desdemona war auch eine geistige und physische Ähnlichkeit zwischen Max und seiner Tochter aufgefallen. Sie lag im Gesicht ihrer Nichte, wenn sie lachte, in ihrer guten Bildung und ihrem lebhaften Geist. Es gab zwar nicht wenige, die der Ansicht waren, Maximus Collins hätte sein Leben vergeudet, aber die Tochter, die er aufgezogen hatte, war keine allzu schlechte Erinnerung an sein Erdendasein.
Auch Lord Robert hatte sich als angenehme Überraschung erwiesen. Offenbar war er mehr als bereit, sich Maxima gegenüber als Gentleman zu verhalten, und das Mädchen schien ihm nicht gleichgültig zu sein.
Es wäre eine ganz ausgezeichnete Verbindung.
Desdemona lehnte sich auf dem Sofa zurück und lächelte zur Zimmerdecke empor. Doch sofort rügte sie sich für diese wenig progressiven Überlegungen. Sie war eine moderne, unabhängige Frau und fest entschlossen gewesen, ihrer Nichte Unterstützung zu gewähren, falls diese den Mann nicht heiraten wollte, der sie in Unehre gebracht hatte.
Aber anscheinend wäre eine derartige Unterstützung nicht nötig – und das nicht nur, weil Maxima sehr gut in der Lage schien, ihre persönlichen Angelegenheiten selbst zu regeln. In den letzten Tagen kam Desdemona zunehmend zu der Erkenntnis, daß die Ehe an sich so schlecht nicht zu sein brauchte, zumindest dann nicht, wenn sie auf gegenseitigem Respekt und Zuneigung beruhte.
Ihr Lächeln vertiefte sich, als ihr ein weiterer unziemlicher Gedanke kam. Lord Robert war wohlhabend, intelligent, sah gut aus, und sein Charakter war… unkonventionell, aber durchaus ehrenwert, und er entstammte den höchsten Adelskreisen. Althea würde buchstäblich außer sich geraten, wenn ihre verachtete Nichte einen so begehrenswerten Mann heiratete.
Desdemona überließ sich noch einige Minuten diesen erfreulichen Überlegungen, bevor sie sich in ihr Arbeitszimmer begab und sich der Korrespondenz widmete, die sich während ihrer Abwesenheit angesammelt hatte. Als sie sich durch den Stapel arbeitete, fiel ihr auf, wieviel davon mit ihrer politischen Tätigkeit zusammenhing. Wann hatte sie eigentlich aufgehört, Zeit für ihre Freunde zu haben? Sie mußte das Spektrum ihres Lebens unbedingt erweitern.
Gegen Ende des Nachmittags erschien das Zimmermädchen mit einem Brief. »Der wurde gerade gebracht, Mylady. Der Bote wartet.
Möchten Sie eine Antwort schicken?«
Desdemona überflog den Brief. Die Herzogin von Candover lud sie zu einer kleinen
Dinnergesellschaft am Abend ein. Da sich Miss Collins inmitten so vieler fremder Gesichter eingeschüchtert fühlen könnte, hoffe die Herzogin darauf, daß Lady ROSS sie mit ihrer Anwesenheit
Weitere Kostenlose Bücher