Der Spion und die Lady
beehrte. Fast nebenbei fügte sie noch hinzu, daß der Marquis of Wolverhampton ebenfalls eingeladen sei.
Es war ein bezaubernd freundlich formulierter Brief.
Den Herzog kannte Desdemona zwar aus ihrer politischen Tätigkeit, seine Frau aber noch nicht.
Wie fürsorglich von ihr, sich in die Gefühle ihres Hausgastes hineinzuversetzen. Schnell schrieb Desdemona, daß sie die Einladung dankend annehme und überreichte sie dem
Zimmermädchen.
Dann setzte Panik ein. Grundgütiger Himmel, was sollte sie nur anziehen? Sie klingelte nach ihrer Zofe.
Wieder erholt von der Erkältung, die sie sich in den Midlands zugezogen hatte, erschien Sally Griffin auf der Schwelle und knickste. »Womit kann ich dienen, Mylady?«
»Heute abend diniere ich in Candover House, Sally. Meine Nichte wohnt dort, und die Herzogin war so freundlich, mich einzuladen. Also kann ich mich selbst davon überzeugen, daß Miss Collins in guter Obhut ist.« Desdemona zögerte und fuhr dann fast verlegen hinzu: »Uns bleiben nur noch wenige Stunden. Glauben Sie, daß eine meiner Roben so geändert werden könnte, daß sie ein wenig… ein wenig modischer wirkt?«
Sallys Augen leuchteten auf. »Haben Sie sich endlich dazu entschlossen, das auch zu zeigen, was Ihnen der Herrgott gegeben hat, Mylady? Ich habe schon immer gesagt, daß es in ganz London keine Lady gibt, deren Figur sich mit Ihrer vergleichen ließe.«
Desdemona errötete heftig, während die Zofe fortfuhr: »Schon immer habe ich gedacht, daß das Braunseidene mit ein paar kleinen Änderungen umwerfend wirken müßte. Aber wir dürfen keine Zeit verschwenden.«
Bevor es sich ihre Herrin noch einmal überlegen konnte, griff Sally nach Desdemonas Hand und zog sie zur Treppe. »Als ich damals ohne Referenzen auf die Straße geworfen wurde, hätte ich verhungern oder mich auf den Straßen anbieten müssen, wenn Sie nicht bereit gewesen wären, mich aufzunehmen. Seither warte ich auf eine Gelegenheit, mich Ihnen besonders dankbar zu erweisen. Heute abend werden Sie hinreißend aussehen, oder ich will nicht mehr Sally Griffin heißen.«
Halb widerstrebend ließ sich Desdemona von ihrer Zofe fortziehen. Sally freie Hand zu lassen, könnte sich durchaus als Katastrophe erweisen, aber unauffällig und langweilig wäre das Resultat mit Sicherheit nicht.
Und das war es, was sie auf gar keinen Fall wollte: daß Giles sich langweilte.
Kapitel 24
MARIE LAVALLE HATTE Maxie beim Ankleiden ge helfen und sie frisiert, um sich danach der Toilette der Herzogin zu widmen. Das bedauerliche Ergebnis der Tatsache, daß sich eine Zofe um zwei Ladies kümmern mußte, bestand darin, daß die erste Lady Zeit hatte, sich mit ihren Nerven zu beschäftigen.
Maxie wußte, wie töricht es war, sich so viele Gedanken um eine simple Dinnergesellschaft zu machen. Ob sie dieses Ereignis überstand, ohne sich oder Robin in Verlegenheit zu bringen, war von nebenrangigem Interesse. Der Tod ihres Vaters und die ungeklärte Beziehung zu Robin waren weit wichtiger. Dennoch lief sie unruhig in ihrem Zimmer auf und ab und murmelte wiederholt den Rat der Herzogin vor sich hin: »Sie dürfen sich nur nicht für das entschuldigen, was Sie sind…«
Das Klopfen an der Tür wirkte wie eine Erleichterung. In der Annahme, es sei Marie Lavalle, die vielleicht etwas vergessen hatte, rief Maxie: »Herein.«
Doch dann spazierte Robin herein, so nonchalant und locker, als befänden sie sich in einer Scheune der Midlands und nicht im Haus eines Herzogs. In seinem Abendanzug sah er atemberaubend aus.
Gespielt verdutzt hob er die Brauen. »Verzeihen Sie, ich suche eine junge Lady, die verschmutzt und zerzaust aussieht. Vermutlich habe ich mich in der Tür geirrt.« Lachend lief sie auf ihn zu und umarmte ihn. »Es kommt mir so vor, als wären es Tage und nicht nur Stunden her, seit ich dich zum letzten Mal gesehen habe.«
Mit überraschender Geschicklichkeit gelang es ihm, ihre Umarmung zu erwidern, ohne ihre Robe oder ihre Frisur zu gefährden. »Ausgezeichnet.
Mein erklärtes Ziel besteht darin, zu dem Punkt zu gelangen, an dem du mich nicht einmal mehr zehn Minuten lang aus den Augen lassen möchtest.«
Dieses Ziel hatte er längst erreicht, auch wenn Maxie das nie zugegeben hätte. Sie trat einen Schritt zurück und drehte eine Pirouette, daß die scharlachrote Seide um ihre Knöchel wehte.
»Noch nie in meinem Leben habe ich eine so elegante Robe getragen. Sehe ich auch gut aus?«
»Du siehst einfach wundervoll aus.« Langsam
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