Der Spion und die Lady
schwerfiel, sich an die gesellschaftlichen Regeln zu erinnern.
Maxie blickte auf, um eine Bemerkung zu machen, runzelte dann aber die Stirn. Robins heitere Miene war verschwunden, im Mondlicht wirkte er tiefbesorgt. »Stimmt etwas nicht?«
Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Ich hätte wissen müssen, daß du es bemerkst. Giles und ich hatten die ernsteste Auseinandersetzung unseres Lebens.«
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Wie schrecklich.
Kein Wunder, daß du ein bißchen blaß aussiehst.
Ich dachte, ihr kämt besonders gut miteinander aus.«
»Normalerweise ist es auch so, aber es gab sehr viele Dinge, die bislang nie ausgesprochen wurden.« Robin seufzte. »Heute haben wir einander alle Ressentiments gestanden.«
»Nach meinen Erfahrungen fällt es Schwestern leichter als Brüdern, Freunde zu sein«, erwiderte sie ernst. »Brüder wetteifern miteinander, was innigen Gefühlen im Wege stehen kann. Und noch schwerer muß es sein, wenn der Ältere einen Titel und ein Vermögen erbt.«
»Du hast recht, das habe ich bei anderen Brüdern gesehen. Vermutlich ist es ein Glück, daß Giles und ich so verschieden sind.« Robin zog sie kurz an sich, dann setzten sie ihren Weg fort. »Wir haben uns bewußt gemacht, daß der Grund für das heutige Gespräch auf den Tod meiner Mutter zurückzuführen ist. Mein Vater machte mich dafür verantwortlich, was Folgen für die ganze Familie hatte. Giles übernahm frühzeitig eine Verantwortung, die man keinem Kind aufbürden sollte, und ich wurde rebellisch. So waren Giles und ich nie in der Lage, zu zeigen, wieviel wir einander bedeuteten. Als ich im letzten Herbst aus Frankreich zurückkehrte, war ich mir nicht einmal sicher, ob Giles mich überhaupt auf Wolverhampton haben wollte. Ich erkannte nicht, wie sehr er darunter gelitten hatte, daß ich so weit fort gegangen und so lange fortgeblieben war.«
»Ist es euch gelungen, eure Differenzen zu bereinigen?«
Robin lächelte. »Ja, Gott sei Dank. Jetzt sind wir uns näher als jemals zuvor.«
»Das freut mich sehr. Aber ich kann deinen Vater absolut nicht verstehen«, fügte sie heftig hinzu.
»Seine Schuld am Tod seiner Frau einem hilflosen Kind aufbürden zu wollen ist
verabscheuungswürdig.«
»Schuld? Mein Vater? Warum?«
»Deine Mutter ist schließlich nicht von allein schwanger geworden«, führte Maxie aus. »Weißt du, ob sie vielleicht davor schon Probleme mit Schwangerschaften hatte?«
»Giles erwähnte, daß sie nie besonders kräftig war und mehrere Fehlgeburten hatte.«
Maxie nickte, wenig überrascht. »Wenn dein Vater mehr Zurückhaltung gezeigt hätte, wäre es vielleicht nicht dazu gekommen.«
»Darüber habe ich nie nachgedacht«, sagte Robin nach längerem Schweigen.
»Eine Frau hätte es getan.«
Er lächelte fast kläglich. »Sehr bedauerlich, daß es auf Wolverhampton keine einfühlsame Frau wie dich gab, die die Situation hätte klären können.«
Ihr Spaziergang führte sie zu einem winzigen griechischen Tempel. Seine Säulen und Proportionen waren so vollkommen, daß Maxie annahm, daß ein früherer Herzog das Bauwerk in Griechenland erworben und in Einzelteile zerlegt nach England verschifft hatte.
Seite an Seite stiegen sie die Stufen hinauf. Es war ein luftiger Pavillon mit geschwungenen Steinbänken vor den halbhohen Mauern. Im Hintergrund stand ein rechteckiger Altar –
inzwischen für Picknicks bestimmt, nicht mehr für die Opferung von Schafen und Ziegen.
Robin blickte auf Maxie hinunter. Im Mondschimmer war ihr Gesicht eine Symphonie feiner Züge und beschatteter Konturen. Er konnte nicht länger widerstehen, hob ihr Kinn an und küßte sie.
Er hatte sie leicht und zärtlich küssen wollen, aber sobald sich ihre Lippen berührten, löste sich seine emotionale Beherrschung in nichts auf. In den vergangenen Tagen hatten ihn die Erinnerungen an alle schlechten Erfahrungen seines Lebens heimgesucht. Er hätte nicht überlebt – wenn nicht für die Frau in seinen Armen, und es verlangte ihn nach ihr wie einem in der Wüste Verdurstenden nach Wasser.
Ihr langsamer Tanz des Verlangens hatte begonnen, als er vor wenigen Stunden ihr Zimmer betrat, und sich während des ganzen Abends durch sehnsüchtige Blicke und vielsagende Lächeln fortgesetzt. Aber was er jetzt verspürte, überstieg normale Leidenschaft. Es war geradezu ein Bedürfnis nach ihrer glückverheißenden Zärtlichkeit und den zauberischen Geheimnissen ihres Körpers.
Seine Hände glitten unter ihren Schal und
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