Der Spion und die Lady
rachedurstigsten Frauenzimmer‹?« Desdemonas Hand zuckte hoch, um Wolverhampton eine schallende Ohrfeige zu verpassen.
Sie hatte die Pistole vergessen. Ihre hastige Bewegung löste die Waffe aus, und die Kugel pfiff wenige Zentimeter an Giles’ Ohr vorbei. Einer der Kutscher schrie etwas, beide Leibwächter kamen auf sie zugerannt.
»Herr im Himmel!« Mit aschfahlem Gesicht wich der Marquis zur Seite aus. »Haben Sie den Verstand verloren?«
Desdemona ließ die Pistole und ihren Ridikül fallen. Am ganzen Körper zitternd preßte sie beide Hände gegen die Schläfen. »D… das wollte ich nicht«, stammelte sie und schien der Ohnmacht nahe. »Ich hatte die Pistole in meiner Hand vergessen. Es war ein Unfall, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist!«
Giles wehrte die Leibwächter ab, nahm Desdemonas Arm und geleitete sie zu ihrer Kutsche. »Führt Lady ROSS vielleicht Brandy mit sich?« fragte er die ängstlich aus dem Fenster blickende Zofe.
Das Mädchen nickte. Wenig später drückte Giles die silberne Taschenflasche Desdemona in die Hand. »Trinken Sie!«
Sie hob den Kopf, trank einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. Dann sah sie ihm direkt in die Augen und sagte tiefbekümmert: »Ich habe ein gräßliches Temperament und sage oft Dinge, die ich später bereue. Aber nie, niemals würde ich einem Menschen Schaden zufügen wollen.«
»Das glaube ich Ihnen«, erwiderte er beruhigend.
»Wenn Sie mich wirklich hätten erschießen wollen, läge ich jetzt verblutend im Staub.«
Desdemona erschauerte. »Bitte, sagen Sie doch so etwas nicht.«
»Entschuldigung.« Er genehmigte sich einen tiefen Schluck aus der Taschenflasche, bevor er fortfuhr: »Vielleicht haben unsere beiden Ausreißer eine Abkürzung quer durch die Landschaft genommen, daher wäre es vielleicht angebracht, auf parallelen Routen nach ihnen zu suchen.«
Desdemona nickte. »Könnten Sie so freundlich sein, mir einen Boten schicken, falls Sie sie finden? Damit ich weiß, daß Maxima unversehrt ist.«
»Kein Problem. Ich wüßte es zu schätzen, wenn Sie das gleiche täten.«
»Selbstverständlich.« Desdemona bestieg ihre Kutsche. »Und… vielen Dank, Wolverhampton.«
Er lächelte, und sie erkannte, daß er wirklich sehr gut aussah, wenn sie ihn nicht zur Weißglut trieb.
»Lady ROSS, mein Leben ist in der Tat sehr viel aufregender geworden, seit ich Sie kennenlernen durfte.« Er wandte sich ab und lief zu seiner eigenen Kutsche.
Desdemona sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Seine Suche erschwerte ihre eigene beträchtlich. Und doch hätte sie nichts dagegen, ihn wiederzusehen.
Kapitel 7
DIE SCHEUNENTÜR KNARRTE. Maxie fuhr aus dem Schlaf und öffnete die Augen. Heller Sonnenschein blendete sie, wütendes Kläffen drang in ihre Ohren. Weniger als zwei Meter entfernt standen zwei riesige Doggen und fletschten die Zähne.
Maxie erstarrte. Ihr Messer befand sich in ihrem Rucksack, aber um ihn zu erreichen, hätte sie aufstehen müssen. Und das hätte die Hunde nur weiter gereizt. Ohne den Kopf zu bewegen, sah sie zu Robin hinüber. Er verhielt sich reglos wie sie und ließ die fast hysterischen Tiere nicht aus den Augen.
»Platz!« rief eine Stimme.
Widerwillig setzten sich die Doggen auf die Hinterbeine, aber ihre funkelnden Augen, die gefletschten Zähne, ihr wütendes Hecheln ließen keinen Zweifel daran, daß sie nur darauf warteten, die Eindringlinge in Fetzen reißen zu können. Hinter ihnen tauchte ein verärgerter Bauer auf. »Verdammtes Streunerpack«, grollte er. »Ich sollte Euch der Polizei übergeben.«
»Das bleibt Euch natürlich überlassen, aber wir haben keinerlei Schaden angerichtet«, erwiderte Robin besänftigend und setzte sich vorsichtig auf.
»Entschuldigt unser Eindringen. Wir wollten längst schon wieder unterwegs sein, um niemandem Ungelegenheiten zu bereiten, aber wir sind gestern lange gewandert, und meine Frau befindet sich in… äh, heiklen Umständen.«
Auch Maxie setzte sich auf und warf ihrem Gefährten einen indignierten Blick zu. Mit ihren langen Haaren konnte sie kaum als junger Mann durchgehen, aber mußte er sie gleich zu einer Schwangeren machen? Lächelnd stand Robin auf und half auch ihr mit unendlicher Fürsorge auf die Beine.
Der untersetzte Bauer zeigte sich nicht im mindesten beeindruckt. »Raus da, oder ich lasse die Hunde los!«
»Falls Ihr irgendwelche Arbeiten zu erledigen habt, würden wir auf diese Weise gern für die Unterkunft bezahlen«, bot Robin
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