Der Spion und die Lady
Taschendieb war er hervorragend. Sie hatte direkt neben ihm gestanden und absolut nichts bemerkt.
In den nächsten beiden Stunden liefen sie zügig über Pfade, die sich quer durch die Landschaft schlängelten. Die Sonne neigte sich bereits dem westlichen Horizont zu, als sie einen Hügel überquerten und auf eine größere Straße hinabblickten. Dort unten waren zwei Bauernkarren, ein Mann mit einem Esel und ein paar Kühen zu sehen, und das hieß, daß sie auf dieser Route sicherer sein würden, als auf den Pfaden, denen sie bisher gefolgt waren.
Sie machten eine kurze Pause. Maxie war so erschöpft, daß ihr jeder Muskel weh tat. Sie stellte ihren Rucksack ab und schlang haltsuchend einen Arm um Robins Hüfte. Als sich daraufhin sein Arm um ihre Schulter legte, wollte ihr ihre eigene Geste fast provokativ erscheinen. Und doch kam sie ihr ganz natürlich vor: Die gemeinsam überstandene Gefahr hatte eine Atmosphäre der Kameradschaft geschaffen.
»Glauben Sie, daß wir jetzt in Sicherheit sind?«
japste sie nach einem Moment der Entspannung.
»Ich bezweifle, daß sie sich auf unsere Fährte gesetzt haben«, erwiderte Robin. »Vermutlich haben sie beschlossen, ihre Energien für die nächsten Reisenden zu schonen.«
Maxie runzelte die Stirn. »Wir sollten die Behörden informieren.«
»Und ihnen was erzählen? Es muß ihnen bekannt sein, daß sich Straßenräuber in diesem Bezirk aufhalten. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir ihnen etwas sagen können, sind Jem und Ned über alle Berge.« Er grinste. »Ich glaube, wir haben fast zehn Pfund erbeutet. Wenn der Verlust der Uhr nicht wäre, würde ich sagen, wir haben den Zwischenfall gut genutzt.«
Maxie begann zu lachen und lehnte ihren Kopf an Robins Schulter. »Können Sie sich Jems Gesicht vorstellen, wenn er seine Taschen leer vorfindet?
Sie haben ihn doch total zum Narren gemacht!«
»Das hat der Schöpfer vor mir besorgt!«
Lachend blickte sie zu ihm auf, um etwas zu sagen, und in diesem Moment sah er ihr in die Augen. Sein Hemd war am Hals
auseinandergefallen und enthüllte etliche Zentimeter nackter Brust, seine Haare fielen ihm in feuchten, gelockten Strähnen in die Stirn. Er war lebenssprühend, er war wunderschön, und sie wollte ihn, wie sie nie zuvor einen Mann gewollt hatte.
»Sie haben einen recht blasphemischen Humor«, sagte sie, um Distanz bemüht.
»Blasphemie gehört zu meinen Spezialitäten.« Er hob die Hand und fuhr federleicht mit den Fingern über ihre leichtgeöffneten Lippen – und ihre Zungenspitze. Der salzige Geschmack machte ihn plötzlich sehr real, gar nicht mehr geheimnisvoll und rätselhaft.
Er stöhnte rauh auf, legte seine Hand in ihren Nacken und hob ihren Kopf seinem Kuß entgegen.
Seine Lippen waren warm, seine Zunge ein spielerischer Genuß. Ganz selbstverständlich öffnete sie den Mund. Der Kuß wurde leidenschaftlicher, Verlangen regte sich in ihr, entzog ihr jede Widerstandskraft. Ihre Lider schlossen sich, und sie streichelte seinen Nacken, wand seidenweiche Haarsträhnen um ihre Finger.
Robin murmelte ihren Namen, der Klang kam ganz tief aus seiner Kehle. Seine rechte Hand glitt ihren Rücken hinab, schickte ihr Schauer über das Rückgrat und drückte sie eng an sich. Ihre Hände an seinen Rippen öffneten und schlossen sich, krallten sich in sein Leinenhemd. Sie hatte ihn für kühl gehalten, aber an seinem Mund, seinem harten, fordernden Körper war nichts Kühles.
Das Wiehern eines Pferdes brachte sie zur Vernunft. Mit fast ungläubigem Erstaunen machte sie sich bewußt, daß sie einen Taschendieb küßte, einen Halunken, der sich vermutlich nicht einmal mehr an seinen wirklichen Namen erinnerte. Und sie küßte ihn nicht nur – sie verschlang ihn so begierig wie das erste Stück Ahornzucker nach einem langen kalten Winter.
Maxie öffnete die Augen, trat einen Schritt zurück, stemmte die Hände gegen seinen Oberkörper und rang nach Atem. Ihre Blicke trafen sich, und sie sah in seinen Augen wieder die Schatten, die ihr zuvor schon ein-oder zweimal aufgefallen waren.
Die Gefahr instinktiv spürend, suchte sie Zuflucht bei einem unverfänglichen Thema. »Ohne Rock sehen Sie ausgesprochen verdächtig aus. Wie weit wird es wohl bis zur nächsten Stadt sein, damit Sie sich einen neuen kaufen können?«
Er holte tief Atem, sein Gesichtsausdruck wurde gelassener. »Ich vermute, daß diese Straße nach Rotherham führt. Dort finden wir bestimmt einen Händler für gebrauchte Kleidung, wenn nicht schon
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