Der Spion und die Lady
als sie die Nebengasse endlich erreicht hatten.
»Selbstverständlich.« Sie wischte sich mit einer staubigen Hand über die Stirn. »Kennst du dich eigentlich in Market Harborough aus?«
»Nein, aber das wird sich ändern«, erwiderte er mit einem umwerfenden Lächeln.
Maxie empfand ein unerklärliches Gefühl heiterer Erleichterung. Robin mochte vielleicht ein Halunke sein, aber unter den gegebenen Umständen konnte sie sich keinen besseren Gefährten wünschen.
Desdemona stieß die Tür des Gasthauses gerade in dem Moment auf, als sich der ständig fließende Strom der Rinder in Chaos auflöste. Entsetzt blickte sie auf die wildwogende dunkle Masse. Auf gleicher Höhe waren Ochsen sehr viel größer als aus dem Fenster im ersten Stock, und ihre Hörner sehr viel schärfer.
Hinter ihr stieß die Wirtin des Three Swans einen spitzen Schrei aus. Desdemona achtete nicht weiter auf sie, drückte sich an die Hauswand und bewegte sich langsam, aber entschlossen die Straße entlang. Sie hätte ihren Kutscher mitnehmen sollen. Nein, ihren Leibwächter, der war größer und kräftiger.
Schritt für Schritt arbeitete sie sich auf die Stelle zu, an der sie Maxima gesehen hatte. Doch nirgendwo konnte sie eine Spur ihrer Nichte entdecken. Gereizt und erschöpft reckte sie sich auf die Zehenspitzen und hob die Hand gegen die Sonne, um besser sehen zu können.
Das erwies sich als ernsthafter Fehler. Das Horn eines Ochsen verfing sich im Ärmel ihres Kleides und riß sie zur Seite. Als Desdemona versuchte, ihre Balance zu wahren, verhedderten sich ihre Füße in ihrem Rock, und sie stürzte kopfüber auf das Kopfsteinpflaster.
Sie blickte auf, sah, daß sich die eisenbeschlagenen Hufe eines Ochsen auf sie senkten, und wußte, daß sie nun sterben würde.
Maxie und Robin rannten die Gasse entlang, bis diese an einer anderen endete, die parallel zur Hauptstraße verlief. Als sie in diese einbogen, hörten sie hinter sich einen Schrei, der ihnen bewies, wie nahe ihnen Simmons und sein Spießgeselle waren.
Auf der Parallelstraße herrschte reger Verkehr, und sie mußten einen Zickzackkurs einschlagen, um nicht mit einem der vielen Passanten zusammenzustoßen. Als ihnen ein Pferdewagen den Weg versperrte, von dem vor einem Geschäft Waren abgeladen wurden, ließ sich Maxie kurzentschlossen fallen und kroch unter dem Gefährt hindurch. Robin tat es ihr nach.
Auf der anderen Seite des Pferdewagens rappelten sich die beiden wieder hoch und sahen sich den Auslagen eines Tuchladens gegenüber.
Nachdem er sich den Staub von den Hosen geklopft hatte, marschierte Robin, Maxie voran, in das Geschäft und schenkte der Frau hinter dem Ladentisch ein strahlendes Lächeln. »Verzeihen Sie Madam, aber wir müssen dringend Ihre Hintertür benutzen!«
Während die verblüffende Frau nur gurgelnde Geräusche von sich geben konnte, durchquerte er den Verkaufsraum und öffnete die einzig sichtbare Tür. Halb damit rechnend, mit einem Stoffballen beworfen zu werden, hastete Maxie ihm nach.
Ein schmaler Flur führte zu einer Küche an der Rückseite des Gebäudes. Robin beglückte die verdutzte Köchin mit einem weiteren hinreißenden Lächeln, dann liefen sie durch den Garten. Die unverschlossene Tür an seinem Ende führte auf eine weitere Gasse hinaus.
Wie viele alte Städte verfügte Market Harborough über ein verschlungenes Straßengewirr. Durch schieres Pech führte eine der Gassen Maxie und Robin Richtung Hauptstraße zurück und damit in Sichtweite von Simmons’ Kumpan. Sofort schrie der Mann nach seinem Gefährten.
Maxie und Robin hetzten durch die Gassen und Sträßchen, bis ihnen die Lungen wehtaten. Wäre es dunkel gewesen, hätten sie ihren Verfolgern mit Leichtigkeit entkommen können, doch das helle Tageslicht gab Simmons einen entscheidenden Vorteil.
Sie kamen in eine steilansteigende Straße, in der hinter einer Schenke leere Holzfässer standen.
»Warte, Robin«, keuchte Maxie.
Sie stieß eines der Fässer um und wartete, bis die Verfolger um die Ecke bogen. Dann rollte sie ihnen laut lachend das Faß vor die Füße. Robin folgte ihrem Beispiel und beide schickten ein halbes Dutzend Fässer die abschüssige Straße hinunter. Wilde Flüche folgten den beiden, als sie ihre wilde Flucht wieder aufnahmen.
Die nächste Straße bog scharf nach rechts. Als sie um die Biegung kamen, blieb Maxie schwer atmend und tief enttäuscht stehen.
Die Gasse endete an einer übermannshohen Steinmauer.
Den Hufen des ersten Ochsen
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