Der Spitzenkandidat - Roman
klug, auch wenn sie nicht so schöne Uniformen trägt wie unsere Polizei.“
„Deine sarkastischen Bemerkungen kannst du dir sparen. Der Mann, der meine Freundin erpresst, droht, ihrer kleinen Tochter etwas anzutun, wenn sie zur Polizei geht. Er hat von der Kleinen schon Fotos gemacht, er ist also dicht an ihr dran.“
„Okay, hab ich kapiert. Und wie sollen Pinos Leute ihn aufspüren?“
„Wir kennen seinen Namen. Oleg Subkow, ein Waffenhändler. Er lebt in Zürich, hält sich aber häufig in Berlin auf.“
Giorgio wurde immer erstaunter. „Woher kennt ihr seinen Namen? Den Namen erfährt man in dieser Welt immer zuletzt. Wenn überhaupt.“
Marion zuckte die Achseln und zeigte ein vielsagendes Gesicht. Er lächelte sie an.
„Was soll Pino für euch tun? Einmal Rasieren, Maniküre, Pediküre?“
„Er soll ihm einen Denkzettel verpassen. Ihm klarmachen, dass er sich meiner Freundin nicht nähern darf. Nie mehr. Weil es ihm sonst dreckig geht.“
„Bist du wirklich meine frühere Geliebte, die mich um den Verstand gebracht hat? Oder siehst du nur so aus, denn so hast du früher nie geredet.“
„Früher war früher, heute ist heute. Was ist nun, sprichst du mit ihm?“
„Sie sollen ihn also kaltmachen? Verstehe ich das richtig, eine aufstrebende Politikerin bittet die italienische Mafia um Hilfe, um einen Auftragsmord?“
„Das klingt so brutal. Ich sprach von einem Denkzettel, nicht von einem Mord. Er soll nie mehr auftauchen und das Kind in Ruhe lassen. Das müssen Pinos Leute ihm klarmachen. Wie sie das machen und wie weit sie gehen, ist ihre Sache.“
Sie waren beim zweiten Grappa angelangt.
„Verzeihen Sie, dass ich lache, Frau Abgeordnete“, sagte Giorgio. „Aber ich finde, du hast dich sehr verändert.“
„Zu meinem Vorteil?“
„Ich weiß nicht recht, so hart warst du früher nicht. Immerhin, jetzt machst du doch noch deinen Frieden mit Pino, früher konntest du ihn nicht leiden.“
„Wer kann schon einen Capo der Cosa Nostra leiden?“
„Sie haben sich geändert. Nachdem Ende der Neunziger ihr Boss festgenommen wurde, haben sie neue Geschäftsfelder aufgetan. Sie sind jetzt vor allem in der Immobilienbranche tätig, alles ganz legal.“
„Verkauf mich nicht für blöd. Ich gebe dir recht, dass die Cosa Nostra Ende der Neunziger am Ende war, aber das ist lange her. Die Terrorbekämpfung seit 2001 hat sich als Vitaminspritze für die italienische Mafia in Deutschland erwiesen. Im Windschatten der islamistischen Terroristen konnte sie wachsen und gedeihen. Außerdem, wenn du es genau wissen willst, mag ich Pino auch heute nicht. Er ist ein schmieriger Typ. Aber das musst du ihm ja nicht auf die Nase binden.“
Pino konnte ihr von Nutzen sein. Das war eine Sicht auf Menschen, die man in der Politik lernte. In der Politik schneller als im richtigen Leben.
„Sag Pino, wir zahlen gut. Glaubst du, er ist mit 30.000 Euro zufrieden?“
„Wenn ihm der Job Spaß macht, ist er auch mit 29.000 zufrieden. Es geht ihm nicht ums Geld. Die Immobilien bringen satte Renditen, die Müllverbrennung auch, der Telefonsex nicht zu vergessen und die Geldwäsche …“
„Hör auf, ich will das nicht hören.“
„Okay, okay. Wie heißt denn deine Freundin oder hat sie keinen Namen? Keinen, aha, warum habe ich mir das schon gedacht?“
Giorgio nieste, fischte ein Taschentuch aus der Hose und begann übergangslos, Marion zu einem gemeinsamen Essen zu überreden. Er hatte eine genaue Vorstellung, wo dieses Essen stattfinden könnte: in Marions Wohnung. Sie erinnerte ihn daran, dass er inzwischen verheiratet war.
Zum Zeichen der Kapitulation hob er beide Arme. „Noch mal okay, du hast gewonnen. Und ja, ich erinnere mich, wie wir damals verblieben sind. Ich habe gesagt, ich werde immer für dich da sein …“
„… egal um was es geht, hast du gesagt. Und jetzt brauche ich deine Hilfe. Gilt dein Angebot noch?“
„Ich helfe dir. Allerdings kann ich nicht für Pinos Familie sprechen. Subkow klingt russisch. Falls der Kerl zur Russenmafia gehört, wird Pino nichts tun. Seine Leute und die Russen haben sich arrangiert. Deutschland ist ein starkes Land, der deutsche Markt ernährt beide und die Politiker lassen sie in Ruhe schalten und walten. Das ist das Schöne in diesem Land, jeder kann tun und lassen, was er will, die Albanermafia, Pinos Familie, die Russengangs, die Islamisten. Pino sagte erst neulich: Es ist wie im Paradies hier. Es gibt nur ein Problem, immer mehr Mafiabosse setzen
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