Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
Vom Netzwerk:
Zuhörers übernommen hatte. Warum sie zur Polizei gegangen war, wie es um ihr Golfhandicap stand und wie es um die Demenzerkrankung ihrer Mutter bestellt sei. Alles interessierte ihn. Später hatte er sie nach Hause gebracht. Dieses Mal hatte er sich nicht vor der Haustür von ihr verabschiedet. Dieses Mal war er mit in ihre Wohnung gekommen. Er war ein großartiger Liebhaber. Nichts anderes hatte sie von ihm erwartet. Nun fragte sie sich, ob er umgekehrt genauso über sie urteilte. Oder war er enttäuscht? Weshalb sonst war er abgetaucht: kein Anruf, keine SMS, keine E-Mail, keine Einladung. Verdammt, hörte ihr Pech mit Männern denn niemals auf?
    Verena ging zum Fenster. Ihr Büro lag im vierten Stock, es war klein, schäbig und ziemlich schmuddelig, im Winter zog es hier wie Hechtsuppe. Jetzt war es angenehm kühl. Die Fenster waren dreckig, wurden nur einmal im Jahr gereinigt, an neue Fenster war nicht zu denken. Auf dem Maschsee schipperten bereits etliche Boote. Weiße Segel, blaues Wasser, Urlaubsstimmung. Vielleicht war das die Lösung, zwei Wochen Andalusien würden ihre Stimmung aufhellen.
    Sie hörte Schritte näher kommen, ihr Herz schlug schneller. Endlich! Klopfen, die Tür wurde aufgerissen, Stollmann stand vor ihr. Er sah aus, als habe er in seinen Klamotten geschlafen. Er lächelte sie an. Sie mochte ihn. Aber er war nicht Jürgen Ritter.
    „Ich bin’s nur, dein treuer Bürohund. Siehst aus, als ob das Magen-Darm-Virus dich erwischt hat.“
    „Ich habe schlecht geschlafen“, log sie und ärgerte sich, weil ihr Gesicht offensichtlich Bände sprach.
    Stollmann bediente sich an der Kaffeemaschine, die vor Längerem provisorisch auf der Fensterbank Platz gefunden hatte. Da er wie üblich nicht gefrühstückt hatte, nahm er als Ersatz viel Zucker, zum Umrühren einen Kugelschreiber. Dann berichtete er vom Großeinsatz, wobei er seine Rolle in charmanter Weise übertrieb. 13 Haftbefehle in der Region und 25 Hausdurchsuchungen. Die Fahnder hatten vier Kilo Marihuana und 110.000 Euro Bargeld sichergestellt. „Wird den Finanzminister freuen“, lobte er sich. „Schade, dass wir nicht auf Erfolgsbasis arbeiten. Ich könnte das Geld gut gebrauchen. Die Unterhaltszahlungen machen mich fertig.“
    Er trank einen Schluck und fragte: „Warum machst du keine Kaffeebar auf? Um elf geben wir eine Pressekonferenz. Meine Wenigkeit und … und … wer war das gleich noch mal? Ach ja, Ritter.“
    Verena bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Wie viel wusste Stollmann? Sie hatte Glück, er wechselte das Thema.
    „Unsere Kollegen in Amsterdam sind nicht nur in Tulpen gut. Zehn Verdächtige und drei Kilo Kokain. Der Haupttäter, ein Nigerianer, ist übrigens tot.“
    Stollmann gab seiner Kollegin Verena Hauser Gelegenheit, eine Bemerkung fallen zu lassen. Aber es kam nichts.
    „Sicherlich hörst du mir mit aller Kraft zu“, ätzte er gutmütig.
    „Was? Logisch, bin ganz Ohr. Verdächtige, Kokain, Haupttäter kommt aus Nigeria. Sonst noch was?“
    „Er ist tot.“
    „Wer ist tot?“
    „Der Nigerianer, werte Kollegin.“
    Jetzt hatte er ihre Augen, ein Moment, den er gerne häufiger genossen hätte. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sich die Gelegenheit häufiger ergeben.
    „Bei der Festnahme erschossen?“, fragte sie.
    „Fast. Aus dem Hotelzimmer gesprungen, als die Amsterdamer Kollegen ihn festnehmen wollten. Aus dem zweiten Stock, dabei sagt man doch, dass in Holland alles flach ist. Genickbruch. Tut mir nicht leid um den. Kein Schwarzen-Rabatt. Der Beruf dieser Figuren zerstört das Leben junger Menschen. Nein, tut mir nicht leid um den. Das Einzige, was mir leid tut, ist, dass einen Tag später jemand anders seine Stelle einnehmen wird.“
    Stollmann stellte den leeren Becher auf die Fensterbank. Nicht einmal darüber regte sie sich auf.
    „Ich geh dann mal, muss mich auf die Pressekonferenz vorbereiten.“
    Sie sah ihm nach und dachte: Du hast Mut. In diesen räudigen Klamotten zur PK.
    Sie sah es seinem Gang an, dass er noch etwas in petto hatte. Kurz vor der Tür blieb er stehen.
    „Habe ich das neulich Abend richtig gesehen, dass du mit unserem Direktor meine Geburtstagsfeier verlassen hast? Zusammen, meine ich? Du und er?“
    Sie hatte Zeit gehabt, sich auf die Frage vorzubereiten und lief trotzdem rot an.
    „Wir haben noch einen Absacker genommen. Das war alles.“
    „Lass mich raten: in der Altstadt. Die ja für diesen Zweck gegründet wurde.“
    „Gut geraten. Du solltest zur

Weitere Kostenlose Bücher