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Der Spitzenkandidat - Roman

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Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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sich partout nicht vorstellen, was das zu bedeuten hatte, bis sie sich als verdutzte Besitzerin einer Geranie und herzlicher Grüße der Bürgerpartei widerfand.
    „Aber woher wussten Sie …?“, fragte sie.
    „Gute Frau, wir sind in Hannover und nicht in Berlin. Unsere Geburtstagslisten sind tip-top gepflegt.“
    Verena war gerührt und ein wenig verärgert, denn nach diesem Beginn war es nicht leichter geworden, zur Pflicht zurückzukehren. Es war Bitter, der auf den Mord zu sprechen kam:
    „Gibt es schon Hinweise auf den Täter?“
    „Leider nein.“
    Bitter schüttelte bedenklich den Kopf und berichtete vom Ansturm der Medien. Zweimal waren die Computer unter der Last der E-Mails in die Knie gegangen. Längst beschränkten sich die Anfragen nicht mehr auf Deutschland. Halb Europa hing am Draht, rund ums Mittelmeer wollte man alles über Uwe Stein wissen. Selbst die Partnerregionen aus China und Indien waren mit von der Partie. Und dann die normalen Bürger!
    Dann sagte Bitter: „Ich bin ein harter Hund, nach 30 Jahren Politik wirft mich so leicht nichts um. Aber diese Sache geht an die Substanz. Ich selbst war es, der Stein entdeckt und gefördert hat. Er war noch grün hinter den Ohren, als er mir das erste Mal über den Weg lief. Dann hat er eine furiose Karriere hingelegt. Und jetzt, vier Wochen vor dem sicheren Wahlsieg, das …“
    Er zündete sich eine Zigarette an, bot auch Verena eine an, die ablehnte.
    „Ich hatte mit dem Rauchen aufgehört“, sagte er. „Aber der Wahlkampf ist Gift für gute Vorsätze. Mein Arzt darf das nicht wissen, ich leide unter chronischer Bronchitis. Gut, dass er uns nicht wählt. Ich werde ihn nie auf einer Veranstaltung treffen.“
    „Haben Sie irgendeinen Verdacht?“
    Bitter streckte sich und sagte: „Ich befürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Uwe war unser Spitzenkandidat, aber der Kontakt zwischen uns … wir waren keine Blutsbrüder.“ Er zögerte, pflückte etwas von der Zungenspitze und sagte: „Ehrlich gesagt, war unser Verhältnis nicht gut.“
    Mit einer heftigen Bewegung zerdrückte er die Zigarette im Aschenbecher. Ein kostbar aussehendes Stück. Verena hatte bei Befragungen auch schon Untertassen und halbe Tabakdosen erlebt. Er bemerkte ihren Blick.
    „Schönes Stück, nicht wahr? Ein Geschenk eines Scheichs aus den Emiraten. Er hat sich letztes Jahr im INI operieren lassen, Gehirntumor. Ich habe ihn damals auf Bitten des Ministerpräsidenten in der Klinik besucht. Wenig später wurde ein Päckchen in meinem Büro abgegeben. Reines Gold, der Aschenbecher. Für sich schon ein Grund, nicht mit dem Rauchen aufzuhören.“
    Als er sprach, war es, als würde er vor sich hin sprechen und nicht für die Kriminalrätin. Er bezeichnete Stein erneut als „meine Entdeckung“ und erwähnte, dass Stein als Student zur Partei gestoßen sei. Mit dem Umzug nach Hannover war der Kontakt enger geworden. Ein bitterer Zug erschien um seinen Mund. „Und ausgerechnet mich hat er hintergangen, eine böse Enttäuschung für mich. Ich habe ganz schön daran zu knapsen gehabt.“
    Verena wunderte sich über die Offenheit des Vorsitzenden. War er authentisch oder wollte er sie für sich einnehmen?
    „Er war nicht zimperlich, unser Uwe. Wenn es um sein Fortkommen ging, kannte er kein Pardon. Das war mehr als gesunder Ehrgeiz. Narzisstische Züge in Kombination mit Machtbesessenheit, das trifft auf etliche Politiker zu, ich weiß. Bei ihm war es krankhaft, auch sein Kontrollzwang. Immer und überall wollte er die Nummer eins sein und andere Menschen beherrschen. Aber er war kompetent, hatte Ideen und er war erfolgreich. Erfolg macht sexy, besonders bei den weiblichen Wählern. Da kannst du so hässlich sein wie du willst. Und er war ja noch nicht einmal hässlich, sah aus wie George Clooney in Germanenversion.“
    Verena fand das nicht, aber dass Stein ein ansehnlicher Mann war, stand außer Frage.
    Bitter setzte seinen Bericht fort. „Erfolg zählt mehr als Charakter, und die Politik ist besonders anfällig für Erfolg. Machen wir uns nichts vor: Die Menschen sehnen sich nach Lichtgestalten, in diesem Land noch mehr als woanders. Nicht wenige Deutsche hätten am liebsten wieder eine Monarchie, die sie im In- und Ausland repräsentiert. Weil sie diese nicht haben, suchen sie unter uns Politikern nach Vorbildern, an denen sie ihre Sehnsüchte abarbeiten können. Stein war so eine Lichtgestalt. Viele wollten so sein wie er: erfolgreich, gebildet und sexy.“
    Er

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