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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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linientreu verhalten. Was will man mehr?“
    „Teilen Sie die frohe Botschaft der Presse mit!“, sagte Bitter zu Wagner.
    Während der sich daranmachte, die Erklärung für die Presse zu basteln, verabschiedeten sich die beiden Männer gut gelaunt zum gemeinsamen Mittagessen: Sauerfleisch und Bratkartoffeln.
    Mit hängenden Schultern schlich Wagner in sein Büro hinüber. Sauerfleisch mit Bratkartoffeln, dazu ein Pils vom Fass. Das würde ihm nun durch die Lappen gehen.
    Er setzte sich an seinen Computer. Der Bildschirmschoner zeigte einen Teller mit fünf Sorten Fleisch. 9 Euro 90 in einem Gasthof im Südoldenburger Land. Erinnerung an einen Wahlkampftermin, das Wasser lief ihm im Mund zusammen.

29
    Verena verbrachte die Nacht auf der Toilette. Zuerst hatte sie die Pralinen für den Grund des Übels gehalten, am Ende stand Verzweiflung. Das Magen-Darm-Virus hatte nun auch sie erwischt. Magenkrämpfe, Übelkeit, Durchfall warfen die nicht zur Wehleidigkeit neigende Polizistin erst aufs Bett, danach aufs Sofa, zuletzt wieder aufs Bett. Zwischendurch saß sie auf dem kleinen Balkon, in eine Decke verpackt, lauschte den beunruhigenden Geräuschen in ihrem Leib. Jede Position war falsch. Ob sie ausgestreckt lag oder aufrecht saß – die Schmerzen waren immer gleich unerträglich. Zwischendurch schaltete sie den Fernsehapparat ein. Wiederholungen, Talkshows für Blöde und Tierfilme, die sie kannte. Sie flüchtete sich erneut ins Bett, lag lange wach, bis in die frühen Morgenstunden. Dann siegte die Erschöpfung. Um acht rief sie im Büro an und meldete sich krank. Petra Schramm, als Frühaufsteherin voller nervös machender Unternehmungslust, schlug vor, an Verenas Stelle mit der Witwe Stein zu sprechen. Verena bog den Vorschlag ab. Petra war enttäuscht und auch ein wenig eingeschnappt. Der Kranken war das egal. Gliederschmerzen und Übelkeit ließen keinen Raum für sensibles Führungsverhalten. Sie brühte Kamillentee auf und schleppte sich erneut ins Bett. Im Traum begegnete ihr Sonja Schreiber, die sie zu ihrer Hochzeit einlud. Der Bräutigam hieß Uwe und hatte Narben im Gesicht.
    Kommissar Stollmann war guter Dinge. Sein Leben machte seit Neuestem wieder Spaß. Vergessen waren die öden Monate nach der Trennung von Frau und Kindern. Vergessen war auch die Zeit, in der seine kleine Wohnung zusehends verkam, bis er sie nur noch nachts betrat, um sie früh morgens wieder zu verlassen. Eine Frau von 24 hatte seine Lebensgeister geweckt. Was hatte sie nur veranlasst, sich mit einem alten Sack wie ihm einzulassen? Er war kein attraktiver Mann, zu hager, zu farblos, das Haar schütter, der Modegeschmack grenzwertig, sein Einkommen überschaubar.
    Stollmann genoss sein neues Leben und trug Freundschaftsbänder, über die er sich vor einem halben Jahr noch lustig gemacht hätte. Glatte Haut, keine Dehnungsstreifen, keine Cellulite, keine Kopfschmerzen, sondern Lust auf Sex – es war eine Freude, neben ihr aufzuwachen. Sie verbrachte ihre Tage auf der Überholspur. Manchmal pfiff Stollmann aus dem letzten Loch, aber noch hielt er ihr Tempo mit. Die Kollegen platzten vor Neid, wenn sie ihn nach Dienstschluss abholte.
    Neben den Mercedes-Limousinen und Audis sah sein Auto schäbig aus. Der Pförtner musterte ihn kritisch, Männer in abgewetzten Jeans und Pullovern passten nicht in sein Besucherraster und nicht ins Foyer eines alteingesessenen Unternehmens. Auch Stollmanns Dienstausweis brachte nicht den Durchbruch. Er wolle zu Ralf Hübner! Ohne Voranmeldung? Das sei ganz, ganz schwierig. Streng genommen aussichtslos. Der Betriebsratsvorsitzende sei ein viel beschäftigter Mann. Es sei ratsam, sich im Vorzimmer einen Termin geben zu lassen.
    Stollmann hatte die Faxen dicke: „Ich ermittle in einem Mordfall.“ Der Pförtner blieb stur. „Sie haben 30 Sekunden, mir zu sagen, in welchem Büro ich Herrn Hübner finde. Sonst brauchen Sie einen neuen Job, den Sie in Ihrem Alter und mit Ihren Umgangsformen kaum bekommen werden. Behinderung der polizeilichen Ermittlungen in einem Mordfall ist kein Kavaliersdelikt.“
    Erschrocken und missmutig griff der Pförtner zum Telefonhörer. Geht doch, dachte Stollmann, als er den Fahrstuhl bestieg. Hübners Sekretärin benahm sich, als wäre sie mit dem Pförtner verwandt. Sie hatte einen Strich an der Stelle, wo bei anderen Menschen die Lippen saßen. Immerhin redete sie mit ihm, wenn auch von oben herab. Ihr Chef sei in einer Sitzung mit dem Vorstand und dürfe auf keinen Fall

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