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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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aller Öffentlichkeit wie die Kesselflicker, beschimpfen sich, arbeiten mit Unterstellungen und gezielten Missverständnissen. Da ist viel Scheinheiligkeit und Heuchelei im Spiel. Und dann ist die Sitzung vorbei, und du siehst sie in der Markthalle einträchtig nebeneinander stehen und Cappuccino schlürfen. Das sind Rituale, die muss man nicht geschmackvoll finden. Aber die Politiker wären die Letzten, die das ernst nehmen. Übrigens gab mir der Minister zu verstehen, dass Bitter seine Golfausrüstung zurückhaben möchte. Wäre schön, wenn wir das hinbekommen.“
    Die herablassende Art stieß Verena ab. Als hätte sie die Golfschläger aus Jux und Tollerei in die Kriminaltechnik bringen lassen. Und warum verbreitete er sich über das Gezänk im Landtag? Sie hatte keine Nachhilfe in politischer Streitkultur nötig. Je länger sie ihn betrachtete, umso bitterer stieß ihr eine Erkenntnis auf: Er war nicht annähernd so stark, wie sie geglaubt hatte. Auch er kochte nur mit Wasser, bewegte sich im Dunstkreis des Ministers. Er drehte sein Fähnchen nach dem Wind. Die Enttäuschung schnürte ihr die Kehle zu. Ihr ungutes Gefühl, das sie bereits bei den Staatskanzleimorden beschlichen hatte, hatte sie nicht getäuscht. Und doch, er war ein wahnsinnig attraktiver Mann und jeder hatte menschliche Schwächen. Warum nicht auch er? Trotzdem beschloss sie, den merkwürdigen Vorfall mit dem Brief, den Stein bei seinem Anwalt hinterlegt und der die Witwe offenbar in Angst versetzt hatte, vorerst nicht zu erwähnen.
    Ritter wandte sich wieder den Unterlagen zu.
    „Das war’s dann wohl, Frau Hauser. Informieren Sie mich, wenn es was Neues gibt.“
    An der Tür drehte sich Verena noch einmal um: „Danke für die Blumen.“
    „Was? Ach, die Blumen. Bitte schön. War mir ein Bedürfnis.“
    „Ich stelle sie unter Geheimhaltungsstufe 2. Niemand wird erfahren, dass es die Blumen jemals gegeben hat.“

37
    Die E-Mails der letzten beiden Tage boten der Kriminalrätin willkommene Gelegenheit, sich abzulenken. Der Stachel saß tief, sehr tief. War sie überhaupt noch verliebt? Ja, beantwortete sie die Frage für sich. Trotz allem bin ich noch immer in ihn verliebt.
    Sie vertiefte sich in den Abgleich der Teilnehmer auf Steins Telefonlisten mit rund 10.000 Namen aus den Mitgliedsverzeichnissen der regionalen Golfklubs. Bislang waren keine Übereinstimmungen gefunden worden. Auch die Person, die Stein am Nachmittag vor der Tat angerufen hatte, war noch nicht ermittelt worden. Man wusste lediglich, dass der Anruf aus einer Telefonzelle am Bahnhof gekommen war. Fortschritte gab es hingegen beim Fußabdruck, der am Tatort sichergestellt worden war. Der Abdruck stammte von einem neueren Modell der Marke FootJoy, die allerdings sowohl für Männer als auch für Frauen geeignet ist. Die Untersuchungen an Steins Notebook hatten nichts ergeben. Neben E-Mails mit dienstlichem Inhalt fanden die Ermittler nur parteiinterne Vermerke, Sitzungsprotokolle und dergleichen. Nichts, was auf ein Mordmotiv schließen ließ.
    Bitters Golfschläger waren mit Stereomikroskop und Computertechnologie untersucht worden. Keine Blutspuren, keine Hautpartikel. Verena wies die Kollegen der Kriminaltechnik an, die Schläger zurückzugeben und setzte Ritter in die Cc-Leiste. Ein Verdächtiger weniger.
    Viele blieben nicht mehr. Danach ging sie das Vernehmungsprotokoll des Betriebsratsvorsitzenden durch. Was sie las, gefiel ihr, eine Kämpfernatur wie sie. Das nächste Gespräch würde sie selbst mit ihm führen.
    Petra Schramm kehrte vom Mittagessen zurück und informierte die Kriminalrätin von ihren Telefonaten mit der Polizeidirektion Ulm. Dort wollte man sich um die Golfausrüstung von Dr. Jahn kümmern.
    Etwas später trudelte Stollmann ein, wie gewohnt mit Flecken auf Hose und T-Shirt. Verena kannte keinen zweiten Menschen, der sich so oft bekleckerte – oder so dickfellig mit Flecken umging. Er freute sich, dass es Verena besser ging und erwähnte in für seine Verhältnisse zurückhaltender Weise, dass sie äußerlich noch nicht ganz wiederhergestellt wirke. „Das habe ich auch schon gesagt“, mischte Frau Schramm sich ein. Was erwarteten ihre Kollegen von ihr? Dass sie nach einem Magen-Darm-Infekt aussah wie nach dem Besuch einer Schönheitsfarm?
    Von seinem Ausflug nach Celle hatte Stollmann ein Loblied auf Marion Klaßen mitgebracht. Sie hatte ihm gut gefallen, als Politikerin und als Frau, vielleicht nicht in dieser Reihenfolge. Offenbar sei Stein ja

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