Der Sprung ins Jenseits
geringer Teil unseres Gehirns bewußt genutzt wird. Fast neun Zehntel liegen brach. In solchen Sekunden arbeitet das ganze Gehirn – aber es sind eben nur Sekunden. Vielleicht hundert Sekunden im ganzen Leben eines Menschen!«
»Stell dir vor«, sagte Yü Fang ganz ruhig, »es wäre anders. Wie sähe unsere Welt aus, wenn die Gehirne aller Menschen hundertprozentig funktionieren würden? Es wäre eine Katastrophe, und sie würde das Ende der Menschheit bedeuten. Es hat immer Genies gegeben, die vielleicht die Hälfte ihrer Gehirnkapazität nutzen konnten. Es wird sie immer geben. Vielleicht ist die Menschheit erst in zehn- oder zwanzigtausend Jahren dazu reif, um die Fähigkeiten des Gehirns voll nutzen zu können.«
Wir waren in den Garten hinausgegangen und saßen auf unserer Steinbank. Von den Bergen herab wehte ein kühler Wind, aber er erreichte uns in unserem geschützten Winkel nicht. Warm schien die Sonne herab. Der Himmel war klar und wolkenlos.
Aus der weiten Tasche seiner Kutte zog Yü Fang ein kleines Buch. Er legte es in seinen Schoß und verdeckte es mit den Händen.
»Hast du jemals das Werk des deutschen Forschers Claus Zedel über die Seele gelesen?« fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Yü fuhr fort: »Claus Zedel befaßte sich ursprünglich mit der materiellen Teleportation, kam jedoch zu keinem positiven Ergebnis. Er muß dann schließlich auch seine Sekunden der Erkenntnis gehabt haben, denn er verfiel plötzlich darauf, dieses ganze Gebiet rein geistig aufzufassen. Natürlich gelang es ihm nicht, das Grundproblem in der Praxis zu lösen, aber immerhin stellte er tiefsinnige Betrachtungen an, die dem Kern der Wahrheit sehr nahe kamen. Es ist seltsam, daß Europäer und die Menschen der westlichen Welt nur schwer an ihre eigene Seele heranzukommen scheinen. Inder, Tibeter und auch Chinesen sind von Natur aus viel eher dazu befähigt, diesem geistigen Problem zu Leibe zu rücken.«
Er nahm die Hände von dem Buch, und ich sah, daß es reichlich zerknittert war. Er mußte es schon oft gelesen haben. Er blätterte darin herum, bis er fand, was er suchte. Er legte die Finger zwischen die Seiten und blickte mir in die Augen.
»Ich möchte dir einiges aus diesem Buch vorlesen. Hör genau zu: Unsterblichkeit durch Teleportation – ist es eine theoretische Möglichkeit, oder ist es Wahnsinn? Das All besteht aus Energie. Diese Energie durcheilt das Universum wellenförmig und mit Lichtgeschwindigkeit, durchbricht die vierte Dimension und damit die Raumkrümmung und ist aus diesem Grund allgegenwärtig. Nach Ansicht namhafter Wissenschaftler soll vor Jahrmilliarden diese Energie durch ein unbekanntes Ereignis in Schwingungen versetzt worden sein, sie ballte sich zusammen und bildete das heutige Universum. Sie bildete es mit all seinen Nebeln und Sonnensystemen, die auch nur eine Form der Energie darstellen. Alle diese Nebel und Sonnensysteme wurden durch die Fliehkraft der Drehung von ihrem Entstehungspunkt weggerissen und durcheilen nun das All (Expansion des Universums).
Masse oder Materie ist also nichts anderes als zusammengeballte Energie. Der Mensch, somit aus Energie bestehend, sendet Gehirnwellen aus. Man konnte diese Gehirnwellen bereits auffangen und aufzeichnen; leider ist der Mensch nur befähigt, solche Wellen auszusenden, aber noch nicht, dieselben auch aufzufangen – zumindest ist es nicht bewußt möglich. In tausend Jahren wird der Mensch vielleicht so weit entwickelt sein, daß er gleichzeitig zu senden und zu empfangen vermag und damit das Zeitalter der wahren Telepathie einleitet. Da nun Materie auf andere Materie einen Einfluß ausübt, wie zum Beispiel die Gravitation, liegt die Möglichkeit nicht fern, mit dieser reinen Geisteskraft feste Gegenstände zu bewegen, womit die erste Grundbedingung zur Telekinese geschaffen wäre.
Wenn dieses Zeitalter erreicht ist, dann wird auch die Zeit nicht mehr fern sein, die Fähigkeit der Teleportation weiter auszubauen. Ich meine jetzt nicht die Teleportation eines beliebigen Gegenstandes, sondern die Versetzung des Menschen an einen anderen Ort.
Der Mensch wird dann in der Lage sein, seinen eigenen Geist durch den Raum zu senden und an einem anderen Ort, beliebig weit entfernt, mit Hilfe seiner neuen Fähigkeiten aus der dort bestehenden Energie neue Materie zu einem Körper zusammenzuballen, der die gleichen Formen hat wie der vorher verlassene. Damit hat der Geist (oder die Seele) den alten Körper verlassen und schlüpft in den
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