Der Sprung ins Jenseits
um die Ohren schlage und nach etwas Ausschau halte, das ich doch niemals erreichen werde. Sie, Alan haben viel mehr erreicht. Sie sind unsterblich geworden. Aber auch ich habe eine Seele – warum entdecke ich sie nicht? Warum mache ich mir nicht die Mühe, sie zu entdecken?«
Dr. Frederik legte ihm die Hand auf den Arm.
»Mein lieber Doktor, dazu sind wir zu alt. Wir schaffen es nicht mehr. Wir sollten mit der Erkenntnis zufrieden sein, daß unser Leben mit dem Tod nicht endet.« Er sah, daß Dr. Halström die Stirn runzelte. »Du darfst es nicht so wörtlich nehmen, wenn ich uns als ›alt‹ bezeichne, aber du weißt ja selbst, wie lange Alan für sein Studium gebraucht hat. Und wir haben uns nie zuvor mit diesem Problem befaßt. Glaube mir, es wäre wirklich zu spät dazu. Aber dank Alans Erkenntnissen habe ich die Angst vor Alter und Tod verloren.«
»Es wird nur wenigen Menschen die Trennung von Seele und Körper bewußt gelingen«, sagte ich. »Und ich glaube, das ist gut so. Was würde mit einer Rasse geschehen, deren Interessen nur auf geistigem Gebiet lägen? Ich bin überzeugt, daß es in der Abgeschiedenheit von Klöstern noch mehr Menschen gibt, die das Geheimnis der Unsterblichkeit entdeckt haben. Es mag auch Wissenschaftler geben, ernsthafte Forscher, die das Geheimnis zumindest ahnen. Es gibt genug Berichte, die darauf hinweisen – aber niemand nimmt sie ernst. Es gibt genug Bücher, in denen die Unsterblichkeit behandelt wird. Man liest diese Bücher – und legt sie wieder weg. Einiges bleibt haften, das meiste wird vergessen. Früher wurden die Menschen, die die Wahrheit erkannten, Zauberer oder Hexenmeister genannt. Heute heißt man sie Scharlatane oder Sensationsmacher. Niemand nimmt sie ernst. Und das ist vielleicht unser Glück.«
»Die Wahrheit wird sich nicht für immer unterdrücken lassen«, sagte Dr. Halström.
Dr. Frederik rief:
»Sie hat sich seit Jahrtausenden unterdrücken lassen – und sie wird auch weiterhin unterdrückt bleiben. Die Wahrheit ist viel zu phantastisch, um jemals geglaubt zu werden.«
Ich nickte.
»Wie recht Sie haben, Doktor«, sagte ich bitter.
Dr. Halström stand auf und ging einige Male im Zimmer auf und ab. Dann blieb er vor mir stehen.
»Was werden Sie nun tun, Alan? Werden Sie sich einen neuen Körper suchen? Die Reinkarnation ist für Sie keine Besonderheit mehr. Sie können sterben oder geboren werden, wann immer Sie es wünschen. Yü hat sich sogar einen neuen Körper geschaffen. Das können Sie doch auch. Was also sind Ihre Pläne für die Zukunft?«
»Ich bin gekommen, um mich von Ihnen zu verabschieden. Sie sind die einzigen Freunde, die ich auf der Erde habe. Es tut mir leid, daß ich nicht in meiner ursprünglichen Gestalt von Ihnen Abschied nehmen kann – aber das sind im wahrsten Sinne des Wortes nur Äußerlichkeiten. Ich werde gehen, und niemand wird mich vermissen. Vielleicht kehre ich eines Tages zurück, und vielleicht sehen wir uns wieder. Vielleicht sogar in einer anderen Gestalt. Es gibt weniger Seelen als Menschen – vielleicht ist das der Grund, daß die Menschheit immer seelenloser wird, je stärker sie sich vermehrt. Sie beide sind mir gute Freunde geworden. Ich habe Ihnen vieles zu verdanken. Es tut mir leid, daß ich diesen Dank nur mit Worten abstatten kann.«
»Sie haben für unsere geringe Hilfe sehr gut bezahlt«, meinte Dr. Frederik und lächelte. »Sie haben uns Erkenntnisse vermittelt, die mehr wert sind als alle Dankesworte. Ich wünsche Ihnen, daß Sie Yü finden.«
»Und ich wünsche Ihnen«, sagte Dr. Halström, »daß Sie mit Yü hierher zurückkehren werden – und daß wir uns wiedersehen.«
Ich gab den beiden Männern die Hand, dann drehte ich mich um und verließ das Zimmer, ohne mich nur einmal umzusehen.
Eine Minute später kam Frau Merten und räumte das Geschirr weg. Sie begrüßte Dr. Frederik freundlich, denn sie hatte ihn heute noch nicht gesehen. Sie schien sich nur ein wenig zu wundern, daß sie ihn nicht hatte kommen hören. Ich selbst aber verließ meine Freunde und stieg höher und höher – bis die Erde, von der Sonne angestrahlt, als farbenprächtiger Globus unter mir in der Unendlichkeit schwebte.
Ich hatte mich einfach auf einen Stern konzentriert, ohne mir dabei zu überlegen, wie weit er weg sein mochte. Als die Erde vor meinen ›Augen‹ verschwand, erlosch auch der mir vertraute Himmel mit seinen bekannten Konstellationen.
Und als ich dann wieder sehen konnte, war der Himmel
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