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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Nein, ich hab doch gesagt, die Jalousien sind nie oben. Sie können zwar offen sein, aber sie sind nie oben. Und das Fenster … nein, es war nicht … ich hab es nicht, nein.«
    Anni sah ihr forschend ins Gesicht.
    »Nie«, wiederholte Suzanne. »Nie …«
    Die Angst war in ihre Augen zurückgekehrt.
    6 Der Creeper mochte es, wenn er ihr nahe sein konnte.
    Es erregte ihn.
    Nicht, dass ihm das ganze Drumherum nicht auch gefallen hätte. Die Jagd, die Planung. Das Werben. Die Vorfreude. All diese Dinge waren gut, aber sie waren bloß Schritte auf dem Weg zu seinem eigentlichen Ziel: ihr nahe zu sein.
    Nur darum ging es ihm in Wahrheit: eine Beziehung zu haben. Die Hälfte eines Paars zu sein. Am Leben des anderen teilhaben zu dürfen. Das war es, was er über alles liebte. Das Beste überhaupt. Der Lohn seiner Mühen.
    Und nun hatte er sie gefunden. Die Eine.
    Er lächelte in sich hinein.
    Er hatte so lange nach ihr gesucht. Überall. Landauf, landab. Hier und … und dort. Hatte sich danach gesehnt, ihre Stimme zu hören, ein Zeichen zu bekommen, irgendetwas, das ihm signalisierte, dass sie die Eine war.
    Seine unsterbliche Liebe.
    Seine Rani.
    Und jetzt hatte er sie gefunden.
    Jetzt war er glücklich.
    Er hatte Rückschläge hinnehmen müssen. Wie oft hatte er schon geglaubt, sie gefunden zu haben, nur um erleben zu müssen, wie sie wieder verschwand und nichts als eine leere Hülle zurückließ. Eine Hülle, die er entsorgen musste.
    Er war dumm gewesen. Die Liebe hatte ihn blind gemacht. Aber diesmal war es die Richtige. Er wusste es. Konnte es ganz deutlich spüren.
    Und da war sie nun, ihm so nahe, nur wenige Meter entfernt. Er hätte die Hand ausstrecken und sie berühren können … so wie er es vergangene Nacht getan hatte.
    Aber nein. Nicht während diese Polizistin bei ihr war.
    Er würde warten, Geduld haben.
    Er legte sich hin und streckte sich aus. Lauschte auf den Klang von Ranis Stimme, die durch die Bretter zu ihm drang.
    Wartete auf die nächste Gelegenheit, mit seiner Geliebten allein zu sein.
    7 Phils Blick ging den Kai entlang. Er wollte sich vergewissern, dass seine Anweisungen korrekt ausgeführt worden waren.
    Die Straße war ab dem Kreisverkehr vollständig abgeriegelt worden. Nichts und niemand konnte hinein oder heraus. Den Arbeitern in den Betrieben am King Edward Quay hatte die Polizei ein paar Stunden unfreiwilliger Muße beschert. Böse schienen sie deswegen nicht zu sein.
    Am gegenüberliegenden Ufer und auf der Brücke hatten sich bereits die ersten Schaulustigen gesammelt. Phil hatte seine Kollegen angewiesen, ein weißes Zelt über der Leiche zu errichten, um sie sowohl vor der Witterung als auch den Blicken der Gaffer zu schützen. Wie so oft war er nicht sicher, ob die Neugier der Leute dadurch nicht nur noch mehr angestachelt wurde.
    Ein Team der Spurensicherung untersuchte das Deck des Schiffs und arbeitete sich dabei langsam und methodisch über den Kai bis zur Straße vor. Sie nahmen Abdrücke, sammelten Proben und tüteten alles ein, was ihnen auch nur im Entferntesten relevant schien. Nicht zum ersten und bestimmt auch nicht zum letzten Mal fühlte sich Phil beim Anblick der verhüllten, maskierten und behandschuhten Gestalten an einen Trupp von der Seuchenbekämpfung erinnert, der die Ausbreitung eines tödlichen Virus verhindern muss. Was in gewisser Weise ja auch stimmte.
    Während Phil den Männern bei ihrer Arbeit zusah, wanderte seine Hand unwillkürlich zu seinem Brustkorb. Nichts. Kein Ziehen. Seit Monaten war nichts passiert, aber man wusste nie.
    Seit seiner Kindheit litt er an Panikattacken. Er wusste genau, was sie ursprünglich ausgelöst hatte. Die Heime, in denen er aufgewachsen war, konnte man nicht gerade als Horte liebevoller Zuwendung bezeichnen, eher schon als Versuchsanstalten für gelebten Darwinismus. Der Aufenthalt in ihnen hinterließ bei jedem Spuren, ob nun an Körper, Seele, Geist oder an allen dreien. Die Anfälle hatten erst aufgehört, als Phil zu Don und Eileen Brennan gekommen war, seinen Pflegeeltern, die ihn später adoptiert hatten und die die einzigen Menschen waren, die er je als Mutter und Vater bezeichnet hatte. Nachdem er bei der Polizei angefangen hatte, waren die Attacken allerdings zurückgekehrt. Meistens war der Verlauf milde, aber hin und wieder – in der Regel immer dann, wenn er unter großem Druck stand – trafen sie ihn mit voller Wucht. Dann war es, als lege sich eine eiserne Klammer um seine Rippen und drücke so

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