Der Stalker
sie – was sie für ihn empfindet und so weiter. Er wird besessen von ihr und dreht durch. Dann sagen wir ihm, dass Ranis Geist aus ihr verschwunden ist. Dass er sich einen anderen Körper gesucht hat.«
»Und dann? Dann tötet er die Frau?« Eine schlimme Ahnung stieg in Mickey hoch, während er auf Turners Antwort wartete.
Turner schüttelte den Kopf. »Wir sagen ihm, dass er nur noch eine Hülle ist – der Körper der Frau. Eine leere Hülle. Nutzlos. Dann sagen wir ihm, dass er sie irgendwo hinschaffen und aufbewahren muss.«
»Wo?«
»An einem sicheren Ort.«
»Und er bringt sie also dorthin und … hebt sie auf?«
Turner nickte.
»Wieso?«
»Weil wir sie vielleicht noch mal brauchen. Das ist dann die zweite Stufe unseres Experiments – jemanden zu programmieren, bei dem keine Sicherungen durchgebrannt sind. Jemanden, der ganz normal ist. Um zu testen, wie weit wir so einen Menschen bringen können.«
»Und natürlich, weil sie Sie sonst verraten könnten.«
Wieder ein Achselzucken. »Klar, das auch.«
In Mickeys Kopf drehte sich alles. Er schüttelte ihn heftig, um wieder klar zu werden. »Aber warum? Das verstehe ich nicht. Warum, Mark? Warum haben Sie all das gemacht?«
Turner lehnte sich vor. In seinen Augen glomm ein krankes, finsteres Licht. »Weil wir es können – darum.«
»Konzentrieren Sie sich, Mickey, bleiben Sie dran.« Marinas rettende Stimme meldete sich in Mickeys Ohr. »Fragen Sie ihn jetzt nach den Opfern. Wer sie ausgewählt hat und nach welchen Kriterien. Er erzählt uns nicht die ganze Geschichte, und ich habe keine Ahnung, wieso. Entweder weiß er selbst nicht alles, oder er verschweigt uns etwas. Finden Sie heraus, was.«
»Wer hat die Frauen ausgesucht, Mark?«
»Fiona.«
»Es waren alles Exfreundinnen von Turner«, klinkte sich Marina erneut ein. »Hochinteressant.«
»Und es hat Ihnen nichts ausgemacht, dass sie alle Ihre Exfreundinnen waren, Mark? Dass Fiona es nur auf sie abgesehen hatte?«
Turner fuhr zusammen, und für einen Moment flackerte Schmerz in seinen Zügen auf. Aber er hatte sich sofort wieder unter Kontrolle. Er zuckte mit den Schultern, um Gelassenheit bemüht. »Warum sollte ich? Das spielt doch keine Rolle, oder? Da stehe ich drüber.«
»Nein, steht er nicht, Mickey. Haben Sie gesehen, wie er zusammengezuckt ist? Es waren seine Freundinnen, und das tut weh, ganz egal, was er sagt.«
Mickey musterte Turner, während er Marina zuhörte.
»Das ist sein schwacher Punkt«, fuhr sie fort. »Jetzt haben wir ihn. Bringen Sie es zu Ende.«
99 Phil starrte Fiona Welch an. Er versuchte, den Schmerz in seiner Wange auszublenden und sich zu konzentrieren. Rede mit ihr.
»Also …«
Eine Schmerzwelle lief durch seinen Körper. Er atmete tief ein und aus. Fiona hatte den Kopf zur Seite geneigt wie ein Tier, das in die Nacht lauscht. Oder wie ein Anthropologe beim Beobachten. Ihr Gesichtsausdruck war entspannt, fast heiter.
Phil setzte erneut an. »Fiona«, sagte er. »Was wollen Sie damit beweisen? Sie werden doch niemals damit durchkommen.«
Liebenswert lächelnd zuckte sie mit den Achseln. Eine Antwort gab sie nicht.
»Meine Kollegen suchen schon nach mir. Ich habe ihnen gesagt, wo ich hingehe. Sobald sie hier reinkommen, ist es vorbei.«
Wieder ein Achselzucken. »Na und?«
»Dann wandern Sie ins Gefängnis.«
»Na und?«
Phil schüttelte den Kopf. Wie sollte er mit dieser Frau überhaupt noch diskutieren? »Was erhoffen Sie sich denn von alldem hier?«
»Meinen Doktortitel.«
Phil war sicher, dass er sich verhört hatte. »Wie bitte?«
»Ich schreibe meine Doktorarbeit in Viktimologie mit Schwerpunkt auf Mechanismen der Zwangsausübung. Sie untersucht, auf welche Weise eine devote Persönlichkeit von einer dominanten Persönlichkeit völlig kontrolliert werden kann. Außerdem befasst sie sich mit der Mentalität des Opfers und der Methodik, mit der diese spezielle Mentalität überhaupt erst geschaffen wird.« Sie lächelte. »Ich brauchte Fallbeispiele.«
Es dauerte eine Weile, bis Phil seine Sprache wiedergefunden hatte. »Sie meinen … Sie wollen allen Ernstes behaupten, dass Sie all das hier getan haben – die Morde, die Entführungen, alles –, nur damit Sie Stoff für eine Doktorarbeit haben?«
Sie sah ihn voller Entrüstung an. »Warum denn nicht? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich etwas beweisen wollte. Und zwar genau das.«
»Aber …« Phil wusste nicht, ob er lachen oder schreien sollte. »Dafür werden Sie den
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