Der Stalker
dass nicht mal er selbst glaubte, was er erzählte.
»Machen Sie sich nicht die Mühe, es zu leugnen, Mark. Wir haben die Fotos von Ihnen beiden auf Facebook gesehen. Selbst wenn Sie kein Paar waren, standen Sie sich sehr nahe. Sehr, sehr nahe. Nahe genug, um jemand anderen eifersüchtig zu machen.«
Turner antwortete nicht.
»Als Nächstes kam Suzanne. Aber wo passt Adele ins Bild? Wann waren Sie mit ihr zusammen?«
»Zwischendurch …«
»Auch während der Beziehung mit Suzanne?«
Turner nickte.
»Ein Mörder, und untreu noch dazu. Und Sie wussten nicht, dass sie die Schwester vom Creeper ist? Hat Fiona Ihnen das nicht gesagt? So was Wichtiges wird sie Ihnen doch nicht vorenthalten haben, oder? In der neuen Weltordnung Ihrer Beziehung.«
Tränen stiegen in Turners Augen auf.
»Haben Sie sie getötet, Mark? Adele?«
Turner hielt inne, den Kopf nach vorn geneigt. Wie ein Verurteilter, der den Hals für die Schlinge hinhält.
»Was ist passiert?«
Er seufzte und starrte ins Leere, als wäre dort etwas, das Mickey nicht sehen konnte. Und auch nicht sehen wollte. »Ich hab mich mit Adele unterhalten …«
»Unterhalten?«
»Na ja … ein bisschen mehr als das …«
»Sie hatten Sex mit ihr.«
Turner wandte den Blick ab, nickte aber.
»Erst haben Sie also Adele Harrison verschleppt –«
»Nein, das war der Creeper.«
»Richtig. Das war der Creeper. Aber Sie haben ihm dabei geholfen. Sie haben mitgemacht.«
Turner blieb stumm. Mickey fuhr fort. »Sie war also Ihre Gefangene, und dann … was war dann? Sie hatten Sex mit ihr?«
Wieder ein Schulterzucken.
»Wieso?«
»Weil ich … ich mochte sie eben noch.« Er beugte sich vor, die Arme auf dem Tisch, die Hände ausgestreckt. »Sie war so verängstigt und … und da wollte ich sie.«
»Und Sie haben sie sich genommen.«
»Ja.«
»Sie haben sie vergewaltigt.«
»Nein!« Der Gedanke schien Turner zu schockieren.
»Sondern? Sie empfanden noch was für sie?«
»Ja …« Es klang, als würde ihm das Wort unter körperlichen Schmerzen herausgezogen.
»Und dann? Haben Sie ihr versprochen, sie gehen zu lassen?«
»Ja.«
»Sagen Sie mir, was passiert ist, Mark. Mit Ihren eigenen Worten.«
Turner seufzte. Mickey konnte in seinem Gesicht sehen, wie er mit seinen Gefühlen rang. Schließlich fügte er sich ins Unvermeidliche. Er zog noch einmal die Schultern hoch, dann begann er zu reden.
102 Der Creeper war verwirrt. Außerdem wurde er langsam wütend. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Überhaupt nicht.
Als Rani zuletzt zu ihm gesprochen und ihm gesagt hatte, er solle zu ihr kommen, wäre er vor Aufregung fast geplatzt. Er hatte es gar nicht erwarten können, sie endlich leibhaftig wiederzusehen. Er hatte die Hülle auf dem Boot zurückgelassen und den Sprengsatz scharf gemacht, so wie sie es ihm befohlen hatte. Er hatte gewartet, bis die Ladung hochgegangen war. Hatte die Flammen in den Himmel schießen sehen. Die fliehenden Polizisten hatten im Vergleich dazu so winzig ausgesehen. Er hatte lächeln müssen. Kichern.
Er hatte das alles bewirkt. Es war sein Verdienst. Seine Macht …
Dann die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit Rani. Ihr endlich wieder ins Gesicht schauen zu dürfen, nach all der Zeit …
Und dann die Enttäuschung.
Es war gar nicht Rani gewesen, sondern diese Psychologin aus dem Krankenhaus, zu der man ihn in Therapie geschickt hatte.
Wo war Rani? Er hatte die Psychologin nach ihr gefragt, aber sie hatte seine Fragen einfach beiseitegewischt. Im wahrsten Sinne des Wortes: Mit einer einzigen abfälligen Armbewegung hatte sie ihn zum Schweigen gebracht. Dann war sie losgegangen und hatte gesagt, er solle mitkommen. Hatte behauptet, Rani hätte ihr eine Liste mit Dingen gegeben, die er noch erledigen müsse. Und obwohl er seine Zweifel hatte und die Frau ihm nicht ganz geheuer war, war er ihr gefolgt und hatte alles getan, was sie ihm befohlen hatte.
Aber die Fragen schwirrten immer noch in seinem Kopf herum. Sie wollten einfach nicht weggehen. War sie vielleicht doch Rani? Konnte das sein? Und wenn nicht, wo war Rani dann?
Diese Gedanken wirbelten nun in seinem Kopf herum, während er auf der Galerie stand und zusah, wie diese Psychologin mit dem Mann am Boden sprach. Sie hatte auf ihm gesessen und versucht, ihn heißzumachen, und als das nicht funktioniert hatte, hatte sie ihm das Gesicht zerkratzt.
Dem Creeper hatte es Spaß gemacht, ihr dabei zuzusehen.
Vielleicht war sie ja wirklich seine Rani.
Dann fiel
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