Der Stalker
ihrem Handgelenk hin und her zu schlenkern begann. »Mit jemandem, der beim ersten Mal Gefallen am Töten gefunden hat und es wieder tun will.«
»Aha«, sagte Phil nur.
»Und der es wieder tun wird. Daran besteht absolut kein Zweifel.«
Fiona Welchs Stimme trillerte auf und ab wie das Zwitschern eines Vogels. Phil schloss die Augen und spürte ein Pochen hinter den Lidern. Wünschte, Marina wäre bei ihm. Sie hätte ihm gesagt, was er tun sollte, nach wem sie suchen müssten …
»Sonst noch was?«, fragte er.
Ein weiteres scheues Lächeln. »Ich glaube, ich sollte mir erst einmal den Tatort ansehen. Das wird mir dabei helfen, meine Vermutung zu bestätigen.«
»Ja, das ist eine gute Idee«, sagte Phil, dessen Kopfschmerz immer stärker wurde. »Von welchem Fachbereich, sagten Sie, sind Sie noch gleich? Wilde Spekulationen?«
Fenwick fuhr mit zornblitzenden Augen zu ihm herum. »Phil!«
Fiona Welch stand mit leicht geöffnetem Mund wie betäubt da, als habe ihr jemand eine Ohrfeige verpasst.
»Tut mir leid«, sagte Phil. »Aber Sie sind sich so sicher in Bezug auf Ihre Theorien, dabei haben Sie noch nicht mal den Tatort gesehen oder auch nur einen Blick in die Akte geworfen.«
Ehe Fiona antworten konnte, fasste Fenwick die verdatterte junge Frau beim Arm und zog sie mit sich in die Wohnung. »Kommen Sie, wir sollten keine Zeit verlieren.«
Phil sah ihnen nach. Und wünschte sich nicht zum letzten Mal, dass Marina da wäre.
35 Auch die neueste Hülle war fortgeschafft worden.
Inzwischen tobte und schrie und weinte sie vermutlich schon. Das taten die Hüllen immer, sobald der Geist sie verlassen hatte. Aber der Creeper beachtete das nicht weiter. Er ließ sie einfach schreien. Das Einzige, was ihn interessierte, war, wo Rani ihm als Nächstes erscheinen würde.
Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Das sanfte Schaukeln war beruhigend. Es entspannte ihn, und wenn er entspannt war, fiel es ihm leichter, ihr Gesicht vor seinem inneren Auge heraufzubeschwören. Wie sie ausgesehen hatte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Wie sie aussehen würde, wenn sie sich bald wiedersahen.
Ihr Lächeln. Das war ihm zuallererst aufgefallen. Wie sich die Haut um ihre dunklen Augen in ganz viele winzige Fältchen gelegt hatte, sobald sich ihre Mundwinkel nach oben bogen und ihre Lippen gerade weiße Zähne entblößten. Sein Herz sang jedes Mal vor Freude, wenn sie lächelte. Er musste sich beherrschen, nicht einfach aufzuspringen, sie in seine Arme zu reißen und herumzuwirbeln, damit er ihr Lachen von ganz nah hören und aus nächster Nähe sehen konnte, wie es ihr Gesicht zum Blühen brachte.
Zu wissen, dass er der Grund für dieses Lächeln war – dieses unglaubliche Gefühl konnte er gar nicht in Worte fassen.
»Ich denke schon wieder an dich«, sagte er und erzählte ihr von seinen Gedanken, wie er sie hochheben und durch die Luft schwingen wollte.
Ich wünschte, du hättest es getan, antwortete sie. Ich wünschte, du hättest damals etwas gesagt.
»Ich auch«, erwiderte er.
Und nicht damit gewartet, bis …
Plötzlich konnte er Ranis Augen nicht mehr sehen, und wie durch eine Wolke, die sich vor die Sonne schiebt, verschwand auch der Rest ihres wunderschönen Gesichts.
»Nein!« Er stand hastig auf und schüttelte den Kopf, seine Augen waren immer noch geschlossen. »Nein, nein …«
In Gedanken durchlebte er erneut, wie sie ihm genommen wurde. In einer Minute lag sie noch in seinen Armen, in der nächsten wurde sie fortgerissen. Er sah, wie sie kleiner und kleiner wurde, wie sie verzweifelt die Hand nach ihm ausstreckte und schrie. Dann die Hitze, die Schwärze, die von allen Seiten über ihr zusammenschlug, und obwohl sie mit aller Macht dagegen ankämpfte, war es zu spät. Sie war fort.
Er setzte sich wieder. Seufzte. Hinter seinen geschlossenen Lidern sah er nichts als Dunkelheit. Er war allein.
Er wollte nicht an die langen Jahre denken, die er allein gewesen war. Ohne Rani. Die Zeit, als die Schmerzen so groß gewesen waren, dass er weder essen noch schlafen konnte, weder leben noch sprechen. Alles, was er noch konnte, war, an sie zu denken. Und daran, wie verloren er war.
Und so wäre es auf ewig weitergegangen, hätte ihre Stimme ihn nicht eines Tages gerufen. Ihn angefleht, nach ihr zu suchen. Ihr Leib war gestorben, hatte sie erklärt. Der Leib, in dem er sie gekannt hatte. Aber ihr Geist war zu stark für den Tod, er lebte weiter. Er lebte, hatte sie gesagt, weil ihre
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