Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
und erschauerte unter seiner Berührung.
»Es ist beinahe Morgen, Geliebter«, sagte sie. »Die Diener werden bald hier sein, um mich anzukleiden. Du musst gehen, und zwar schnell.«
»Nein«, erwiderte er ruhig, »das werde ich nicht tun.«
»Wie bitte?« Sie erbleichte. »Was tust du mir an? Das wird mein Tod sein!«
»Ich werde gehen, aber nur unter einer Bedingung – dass du noch heute an den Hof zurückkehrst.«
»Nein!« Valura schüttelte den Kopf. Ihr langes schwarzes Haar hing ihr über die nackten Brüste, die er jetzt streichelte. Sie seufzte und griff nach seinen Händen, küsste seine Finger. »Nein.
Verlange das nicht von mir. Wie könnte ich es ertragen, dich jeden Tag zu sehen und doch nicht mit dir zusammen sein zu können? Wie könnte ich die Berührung meines Mannes ertragen?« Sie erbebte. »Nein, das wäre Folter. Ich sollte lieber hier bleiben. Ich habe immerhin eine einzige Nacht unendlicher Freude erlebt. Das wird mir genügen.«
»Aber mir nicht«, entgegnete Dagnarus und schob ihr Haar sanft beiseite, sodass sie sich nicht hinter diesem duftenden Vorhang verbergen konnte. »Ich möchte dich jeden Tag sehen. Ich will deine Stimme hören, dich berühren, dich lieben. Es gibt Geheimgänge im Palast, Orte, an denen wir uns treffen und tun können, was wir wollen. Dein Mann wird es nie erfahren. Niemand wird es je erfahren.«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
»Also gut«, meinte Dagnarus barsch. »Dann sollen deine Diener mich eben finden. Lass deine Wachen kommen und mich töten. Wenn ich ohne dich leben soll, will ich nicht mehr leben.«
»Bei den Göttern, ich fürchte, du meinst es ernst«, flüsterte sie und betrachtete ihn staunend. Sie kämpfte einen Augenblick lang mit sich selbst, aber ihre Leidenschaft stand seiner in nichts nach. »Also gut«, sagte sie schließlich und senkte den Blick. »Ich werde noch heute an den Hof zurückkehren.«
»Dann werden wir noch heute Abend wieder zusammen sein!«, erklärte er und küsste sie.
Mit sanftem Tadel schob sie ihn von sich. »Geh nun, Liebster. Schnell.«
»Aber wie soll ich zurückfinden?«, fragte er, während er sich anzog. Er hatte ganz vergessen, dass er noch den Garten durchqueren musste.
»Folge den Steinen, die mit einer Rose gezeichnet sind. Sie werden dich ein paar Stufen hinunter und zu einem Tunnel leiten, der dich unter der Palisade hindurch bis ins Bootshaus führt. Hier hast du den Schlüssel für die Tür. Öffne sie, verlasse das Bootshaus, und du hast die Palisade hinter dir. Lebe wohl, mein Liebster.«
»Bis heute Abend«, sagte er, küsste sie ein weiteres Mal, und als er schließlich bemerkte, dass der Himmel im Osten tatsächlich schon heller wurde, verließ er sie.
Die Rosensteine waren leicht zu finden und führten ihn direkt zu der versprochenen Treppe. Er betrat den Tunnel, der kühl und feucht war, und kam zur Tür des Bootshauses. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür vorsichtig, damit sie nicht knarrte. Aus der Sicherheit des Bootshauses heraus beobachtete er, wie die Wachen ihre Runde machten, und als sie weit genug entfernt waren, schlenderte er lässig nach draußen und kehrte durch den Wald zu seinem Pferd zurück.
Valura legte sich wieder ins Bett, nachdem ihr Geliebter gegangen war, und in Gedanken begleitete sie jeden seiner Schritte durch den Garten. Sie zuckte erschrocken zusammen, als sie glaubte, das Knarren der Bootshaustür in ihren rostigen Angeln gehört zu haben. Dann wurde ihr klar, dass ihr ihre Fantasie einen Streich gespielt hatte und sie es aus dieser Entfernung unmöglich gehört haben konnte. Angespannt wartete sie darauf, dass die Wachen Dagnarus entdeckten, aber in Haus und Garten blieb es still. Die Hufe seines Pferdes dröhnten in ihrem Blut, und dann wusste sie, dass er in Sicherheit war.
Sie kuschelte sich in ihr Federbett und wickelte die Decken fest um sich. Sein Geruch hing noch am Bettzeug, am Kissen. Sie umklammerte das Kissen, atmete seinen Duft ein, und die Erinnerung an die vergangenen Stunden bereitete ihr einen angenehmen Schmerz.
Eine der Dienerinnen kam herein, weil sie vorhatte, die Vorhänge zu öffnen und die Sonne hereinzulassen.
»Lass mich allein«, befahl Valura leise. »Es geht mir nicht gut. Sag auch den anderen, sie sollen sich fern halten.«
Die Dienerin verbeugte sich erschrocken und huschte hinaus.
»Was soll ich nur tun?«, fragte Valura die Schatten.
Sie wusste genau, was sie tun sollte. Sie sollte dieses Haus
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