Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
einmal stündlich durchführen und dabei die Vorhängeschlösser an den Toren überprüfen. Den Rest der Zeit verbrachten sie am Haupttor mit Würfelspielen und Gesprächen.
Dagnarus zügelte seine Ungeduld und wappnete sich, eine ganze Stunde warten zu müssen, damit er sich davon überzeugen konnte, dass die Soldaten auch tatsächlich das taten, was man ihm berichtet hatte. Und wirklich hockten sich die Männer nun nieder, zeichneten mit dem Messer einen Kreis auf den Boden und holten ihre Würfel heraus. Dagnarus war gezwungen, mehrere Spiele lang dazusitzen, zuzusehen, wie Tams den Besitzer wechselten, und dem unverständlichen Geschwätz der Elfen zu lauschen. Dann erklang im Hof eine Glocke. Die Elfen erhoben sich träge, reckten sich und machten sich auf ihre Runde.
Dagnarus zählte leise vor sich hin, bis sie zurückkehrten. Ihm fiel auf, dass sie aus unterschiedlichen Seiten wieder auf das Tor zukamen, was bedeutete, dass sich ihr Weg auf der hinteren Seite des Hauses gekreuzt haben musste. Jedes Schloss wurde daher von zwei Soldaten überprüft – eine vernünftige Regel.
Nachdem sie ihre Runde beendet hatten, hockten sich die Elfen wieder hin und begannen abermals mit ihrem Würfelspiel. Dagnarus stand auf und schlüpfte durchs Unterholz und zur Rückseite des Hauses, bevor noch der erste Würfel den Boden berührte.
Die Holzpfähle der Palisade ragten bis in doppelte Mannshöhe auf und waren oben angespitzt. Dagnarus war darauf vorbereitet und nahm nun ein Seil vom Gürtel. Er band eine Schlinge, wie es ihm die orkischen Fischer beigebracht hatten, und warf die Schlinge über die Spitze eines Pfostens. Er zog das Seil fest und kletterte daran hoch. Obwohl er sich nur mit Mühe festhalten konnte, spähte er in den Garten hinab. Direkt am Zaun hatte man dichte, hohe Büsche gepflanzt. Es gab keine Möglichkeit, sie zu meiden.
Er ließ sich hinunterfallen und landete unter Blätterrascheln und Zweigeknistern im Gebüsch, und er war sich sicher, dass der Lärm bis nach Vinnengael zu hören war.
Er erstarrte, wagte kaum Luft zu holen, wartete darauf, das jemand Alarm schlug. Sein elfischer Informant hatte behauptet, seine Herrin sei oft des Nachts noch im Garten, und wenn das der Fall war, hielten sich auch ihre Leibwächter dort auf.
Niemand rief. Niemand kam, um nachzusehen, was sich dort durchs Gebüsch bewegte. Dagnarus löste sich von den Büschen. Zweige zupften an seinem Umhang, Blätter knisterten unter seinen Füßen. Ein Ruck am Seil bewirkte, dass es sich nach unten schlängelte. Dagnarus rollte es auf und versteckte es unter den Büschen. Dann hielt er sich im Schatten und schlich durch den Garten auf das Haus zu.
Er bewegte sich langsam, prüfte jeden Schritt, umging Zierteiche und Statuen. Der Garten war riesig. Dagnarus war schon weit aus dem Lichtkreis der Fackeln heraus und hatte sich bald verirrt. Er hatte das Haus von der Spitze der Palisade aus gesehen, aber danach nicht mehr. Er hatte keine Ahnung, wie weit er schon vorgedrungen war und ob es ihm je gelingen würde, den Rückweg zu seinem versteckten Seil zu finden. Die unzähligen Pfade führten nirgendwo hin, sondern schlängelten sich hierhin und dorthin, bildeten mitunter einen Kreis, führten ihn einmal in eine Grotte und endeten zweimal im Nichts an einer Stelle, von der aus man offenbar einen dieser dummen Bäume bewundern sollte.
Der Diener hatte nicht daran gedacht, ihm zu verraten, wie man den Weg durch diesen Irrgarten fand. Dagnarus, der keinerlei Erfahrung mit Elfengärten hatte, hatte auch nicht danach gefragt. Erhitzt und schweißüberströmt, zerkratzt und halb erstickt vom Duft der nachtblühenden Gewächse, wurde er immer zorniger und immer unruhiger. Er befürchtete schon, den Rest seiner Tage an diesem götterverlassenen Ort verbringen zu müssen.
Er war gerade aus Versehen in einen Zierteich getreten und hatte gleichzeitig versucht, mit dem Kopf einer riesigen Glocke auszuweichen, die von einem Ast hing, als er aufblickte und Lady Mabreton entdeckte.
Sie befand sich auf einer Art Lichtung, einem runden, gepflasterten Innenhof, dessen weißer, offenbar magischer Stein das Mondlicht nachäffte, denn er schimmerte unter ihr in unheimlichem, bleichem Glanz. Sie trug ein halb durchsichtiges Seidengewand, und ihr langes, schwarzes Haar war offen und reichte ihr über die Schultern bis zur Taille. Das Mondlicht von oben und der Glanz des magischen Pflasters von unten beleuchteten ihren Körper, der unter dem
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