Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
Königs kam als nächste, sie würde den letzten Teil der Prozession bilden. Seine Majestät war gezwungen gewesen, das Reiten aufzugeben, aber nicht vor seinem neunzigsten Jahr und nur weil sein geliebtes Pferd an Altersschwäche gestorben war – ein Zeichen, wie der König verkündete, dass seine Tage als Reiter zu Ende waren.
Als der Kämmerer sah, dass alles bereit war, gab er das Zeichen. Die Prozession begann, sich vorwärts zu bewegen. Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien gnadenlos auf die Wartenden. In ihren schweren, kunstvollen Gewändern, über denen sie ihre Amtsroben trugen, keuchten die Mitglieder des Hofs erschöpft und fächelten sich mit Federfächern. Mehrere der geckenhaften jüngeren Lords, die zu Dagnarus' Gefolge gehörten, hatten sich große Eisbrocken aus den Vorratskellern bringen lassen und unter die Hüte gelegt. Nun floss das Schmelzwasser über ihre Gesichter, aber der Rest der schwitzenden Menge beobachtete sie voller Neid.
Die Würdenträger aus Dagnarus' Haushalt drängten sich zusammen wie eine Herde. Gareth fürchtete schon, dass sie sich niemals in Bewegung setzen würden, dass sie nun für alle Ewigkeit in der brennenden Sonne stehen müssten. Aber als sie schließlich doch begannen, auf den Tempel zuzugehen, hielt er das Tempo für viel zu schnell und wünschte sich verzweifelt, er könne die Zeit verlangsamen, wenn schon nicht vollkommen zum Stillstand bringen.
Silwyth versetzte ihm einen Ellbogenstoß. »Ihr schleppt Euch dahin, als marschiertet Ihr in einer Begräbnisprozession. Lächelt! Winkt!«
Gareth tat, was man ihm sagte. Als er in diesem Augenblick den Kopf hob, fand er sich direkt seinem alten Lehrer gegenüber, der an der Seite stand. Evaristo hatte eine strenge, missbilligende Miene aufgesetzt. Als er nun bemerkte, dass Gareth ihn entdeckt hatte, schüttelte der Lehrer demonstrativ den Kopf und brachte damit seine Sorge zum Ausdruck. Gareth wandte hastig den Blick ab und versuchte, sich damit abzulenken, dass er sich den Rest der Menge ansah, und in diesem Augenblick bemerkte er die Orks.
Plötzlich stand ihm eine weitere Erinnerung an Helmos' Prozession mit großer Klarheit vor Augen. Hauptmann Argot hatte seine Soldaten gefragt, aus welchem Grund keine Orks anwesend waren. Er hörte das Gespräch von vor zehn Jahren so deutlich, als stünden die Männer nun neben ihm.
»Hoffentlich haben sie nicht irgendwas vor«, sagte Argot.
»Nein, Hauptmann«, entgegnete einer seiner Leutnants. »Ihre Schamanen sagten, es gäbe schlechte Vorzeichen.«
»Was soll das gewesen sein – ein Schwarm Gänse, der von Norden nach Süden statt von Süden nach Norden fliegt?«
»So was Ähnliches, Hauptmann. Habt Ihr heute früh den Sonnenaufgang gesehen?«
»… erstaunlich schön… die Götter haben ihren Segen gegeben.«
Gareth erinnerte sich an den Sonnenaufgang – er hatte so etwas nie wieder gesehen, der ganze Himmel hatte scheinbar in Flammen gestanden. Und er erinnerte sich daran, dass die Vorzeichen sich als richtig erwiesen hatten. Helmos hatte die Verwandlung überlebt, aber die Götter hatten ihn zum Paladin des Kummers erklärt, und zweifellos hatte sein Leben danach dieser Prophezeiung entsprochen. Gareth überlegte, wie der Sonnenaufgang dieses Tages gewesen war, aber es fiel ihm nicht ein. Offenbar nichts Ungewöhnliches.
Sein Herz begann, schneller zu schlagen. Er sah die großen Mengen von Orks an, die dicht gedrängt dastanden und alle überragten. Ihre menschlichen Nachbarn gingen ihnen so gut wie möglich aus dem Weg und drückten sich gegen den Fischgestank Taschentücher auf die Nasen. Gareth hingegen hätte zu den Orks laufen und sie umarmen können.
Hätte es ein schlechtes Vorzeichen gegeben, dann wären die Orks nicht erschienen. Der logische Teil von Gareths Verstand wusste, dass es noch alberner war, an orkische Vorzeichen zu glauben, als schwarzen Katzen aus dem Weg zu gehen oder Geld zu erwarten, wenn einem die Handfläche juckte. Aber der Teil von ihm, der immer Salz über die linke Schulter warf, wenn er etwas davon verstreut hatte, schöpfte Hoffnung. Wenn die Vorzeichen schlecht gewesen wären, wären die Orks nicht zur Parade gekommen. Also mussten die Vorzeichen für Dagnarus' Verwandlung günstig sein.
Träge von der Hitze, kroch die Prozession auf den Tempel zu. Gareth war dankbar, endlich in den Schatten des Portikus zu gelangen, und wischte sich mit dem Gewandärmel den Schweiß von der Stirn, als gerade niemand hinsah. Er und
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