Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
den Hals des Pferdes und beruhigte damit das Tier, das ungeduldig zu tänzeln begonnen hatte.
»Wem haltet Ihr die Treue, Hauptmann?«, fragte Dagnarus.
»Meinem König«, entgegnete Argot, der bleich geworden war.
»Das ist nun wohl Helmos«, meinte Dagnarus trocken.
»Ja, Herr«, erwiderte Argot.
Dagnarus ließ die Hand zum Schwertgriff sinken. »Ihr habt mir beigebracht, wie man das hier benutzt, Hauptmann. Zwingt mich nicht, Euch nun damit zu töten.«
»Ihr werdet tun, was Ihr tun müsst, Herr«, meinte Argot mit fester Stimme. »Ebenso wie ich.«
»Verflucht sollst du sein, verräterischer Bastard«, sagte Dagnarus zornig und zog sein Schwert.
Die Leutnants und Fußsoldaten, von der Tapferkeit ihres Hauptmanns beschämt, drängten sich vor, um Argot zur Seite zu stehen. Ein Ring aus Stahl umgab Dagnarus und seine Gefährten. Dagnarus, hundert zu eins unterlegen, zögerte.
»Hab keine Angst um mich, Liebster!«, rief Valura laut und zog die Arme von Dagnarus' Taille zurück. »Schlag sie nieder!«
»Lasst ihn gehen, Hauptmann! Das ist ein Befehl!«
Argot blickte verblüfft auf.
Helmos stand oben auf der Tempeltreppe. »Lasst sie alle gehen. Dies war der letzte Befehl meines Vaters, und ich werde ihn in Ehren halten. Niemand soll Hand an meinen Bruder oder an jene legen, die sich dafür entscheiden, ihm zu folgen, so lange sie die Stadt verlassen. Aber wenn sie als allgemein bekannte Anhänger der Leere hierher zurückkehren, dann werden sie als Gesetzlose betrachtet und zum Tode verurteilt.«
Argot ließ den Blick nicht von Dagnarus weichen, und er zog die Hand auch nicht vom Zügel.
»Denkt doch nach, Euer Majestät!«, rief der Hauptmann. »Wir sollten ihn jetzt ergreifen, bevor seine Macht noch weiter wächst.«
»Ihr habt meinen Befehl gehört, Hauptmann«, sagte Helmos, und seine Stimme war streng, aber auch erfüllt von Trauer und Bedauern. »Ich bin jetzt Euer König, und Ihr werdet mir gehorchen.«
Langsam ließ Argot den Zügel los. »Macht Platz, Männer«, befahl er grimmig.
Dagnarus steckte sein Schwert in die Scheide zurück. Mit Unheil verkündenden Blicken wichen die Soldaten zurück. Dagnarus sagte etwas zu seinem Pferd und gab dem Tier die Sporen. Das Pferd sprang vorwärts. Menschen schrien entsetzt auf und flohen vor den Hufen. Silwyth und Gareth folgten, der Elf anmutig und unbeschwert im Sattel, der Magus verzweifelt an Silwyth geklammert.
Die Hufe schlugen laut auf die Pflastersteine, hallten in Herzen und Köpfen laut wider. Niemand regte sich, bis dieses Trommeln in der heißen, reglosen Luft verstummt war. Und dann sahen die Menschen, verstört und verblüfft von den Katastrophen, die sie miterlebt hatten, einander zweifelnd und ungläubig an.
Denn so lange sie sich erinnern konnten, war Tamaros König gewesen. Er war König gewesen, so lange sich ihre Väter und Großväter erinnern konnten. Einige waren zu der Ansicht gekommen, er werde wohl ewig König bleiben. Nun war er tot, und es fühlte sich so an, als hätte jemand die Krücken weggetreten, auf die diese armen Krüppel sich stützten. Am Morgen noch war das Leben sicher und in Ordnung gewesen. Nun war überhaupt nichts mehr sicher.
Sie schauten zu den Tempelstufen hin, zu ihrem neuen König, aber Helmos war nicht mehr zu sehen. Er war wieder hineingegangen, um sich um die Leiche seines Vaters zu kümmern. Unglücklich, ängstlich, traurig begann die Menge sich zu zerstreuen. Alle eilten zurück nach Hause, um dort ihre Wertgegenstände einzuschließen und ihre Vorräte zu überprüfen, wie man es in Kriegszeiten tat.
»Das war ein Fehler«, erklärte Argot grimmig. »Ich bete zu den Göttern, dass Seine Majestät diese Entscheidung nicht noch bereuen wird.«
»Es war der letzte Befehl seines sterbenden Vaters«, meinte einer der Leutnants, der drinnen im Tempel Dienst getan hatte. »Ich habe den König deutlich gehört. Er hat befohlen, dass niemand Prinz Dagnarus etwas antun solle.«
»Ein Befehl, dem der neue König respektvoll widersprechen sollte. Tamaros ist tot!«, entgegnete Argot barsch und mit finsterer Miene. »Er hat die Sorgen dieser Welt hinter sich gelassen. Aber wir leben noch. Und merkt euch meine Worte – wir sind diejenigen, die leiden werden.«
Helmos kehrte zum Altar zurück. Ein paar Zuschauer saßen noch erschüttert auf ihren Plätzen im Tempel, zu erschrocken von dem, was sie gesehen hatten, um sich regen zu können. Ein paar andere warteten, beobachteten, hofften auf ein Wunder
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