Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
sollten.
Gemälde von außerordentlicher Schönheit, wie man sie häufig an seltsamen Orten findet – zum Beispiel an der Flanke eines steilen Felsens oder an der Decke einer Höhle –, waren angeblich ebenfalls das Werk dieser Alten. Warum eine Gesellschaft, die die Fähigkeiten hatte, solch unglaubliche architektonische Wunder zu schaffen wie das Kloster, Wunder der Ingenieurkunst wie die Wasserfälle und künstlerische Wunder wie diese hervorragenden Bilder, verschwunden sein sollte, ließ sich nicht erklären. Es gibt viele Legenden über die Alten, und in den meisten heißt es, sie seien hoch gewachsene Geschöpfe gewesen, größer als die Orks und von schlankem Körperbau, anmutiger als die Elfen und von unglaublicher Schönheit, schöner noch als die schönsten Menschen, und hervorragende Reiter, besser als jeder Zwerg. Tatsächlich haben die Zwerge eine Legende, die davon berichtet, wie die Alten die ersten Wildpferde einfingen und zähmten.
Einmal wurde ein orkisches Schiff von einem schrecklichen Sturm vom Kurs abgebracht und an die Küste eines unbekannten Kontinents geblasen, wo die Seeleute angeblich den Alten begegneten, die sie als kleinwüchsige, faltige, ängstliche Wesen beschrieben, die in Lehmhütten lebten. Diese Geschichte wurde allgemein als unwahr abgetan, denn Orks sind als notorische Lügner bekannt. Wer immer die Geschichte gehört hat, behauptet, dass die Orks einfach Zwergen begegnet waren, die Seeleuten, die seit Wochen von nichts anderem als Tscha-gau gelebt hatten, durchaus kleinwüchsig und faltig vorkommen konnten.
Das Kloster ist von schlichtem Entwurf, mit hohen quadratischen Säulen, glatten Wänden und großzügigen Räumen, die Sonne und Wind, Regen und Schnee einlassen. Es gibt zahlreiche Fenster, aber kein Fensterglas, keine Eisengitter, um Eindringlinge abzuwehren, keine Pfeilschlitze in den Mauern. Das Kloster ist ein Haus des Friedens, der Ruhe und der Gelassenheit und keine Festung. Man muss allerdings zugeben, dass die meisten Feinde schon bei dem Versuch, die Festung zu erobern, abgestürzt wären, während die wenigen, die oben anlangten, sich hingelegt und in der dünnen Luft nach Atem gerungen hätten vor Erschöpfung.
Das Kloster erhält sich selbst. Die Hüter der Zeit leben von dem, was sie in ihren Gärten anbauen, und von den Opfern, die jene mitbringen, die die gefährliche Reise den Berg hinauf unternehmen, um Rat zu suchen. Die Hüter trinken nichts anderes als Wasser aus den Bergquellen, das angeblich den Vergleich mit dem besten Wein aushält, und den besonderen Tee, der nur in der Umgebung des Klosters wächst. Dieser Tee hilft ihnen nicht nur, länger zu leben, er erhält auch nach dem Tod ihre Leichen. Die Leichen aufzubewahren ist ausgesprochen wichtig, denn die Hüter zeichnen die Geschichte auf ihrer Haut auf. Ihre Leichen werden aufbewahrt und katalogisiert, ganz ähnlich wie die Bücher in der Königlichen Bibliothek. Die Grabkammern des Klosters zu durchwandern – und man bezeichnet sie nicht als Grabkammern, sondern als den Katalog – ist, als durchquerte man die Vergangenheit.
Mitunter wagen Menschen die lange Reise den Berg hinauf, um Rat zu erbitten, aber die Hüter beraten sie nicht. Sie sagen nie, dass jemand dies oder jenes tun sollte. Sie können nicht in die Zukunft blicken und keine Vorzeichen deuten. Aber sie kennen die gesamte Vergangenheit und wissen daher viel über die Herzen und die Gedanken aller Geschöpfe, seien es Elfen, Zwerge, Orks oder Menschen. Die Hüter werden einem Bittsteller erklären, wie sich sein Problem zu ähnlichen Problemen verhält, denen jemand viele Jahre zuvor gegenüberstand, und wie diese Person ein solches Problem mit Hilfe von X löste oder entdeckte, dass sie es überhaupt nicht lösen konnte, aber dann war jemand dreißig Jahre später auf etwas Ähnliches gestoßen und hatte Erfolg, indem er Y anwandte. Da die meisten Ratsuchenden allerdings davon überzeugt sind, ihre Probleme seien einzigartig, ist ihnen eine solche Information oft nicht willkommen und wird nicht als sonderlich hilfreich betrachtet. Aus diesem Grund und weil die Reise den Berg hinauf so anstrengend ist, sind es nur wenige, die bei den Hütern Rat suchen.
Was die Hüter selbst angeht, so sind viele von ihnen ständig unterwegs und reiten auf ihren bewährten Eseln durchs Land – auf Tieren, die zwar nicht besonders schnell sind, aber dafür sorgen, dass ihre Reiter sicher an ihr Ziel gelangen. Begleitet werden die Hüter auf
Weitere Kostenlose Bücher