Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
waren dazu gezwungen, ihre Hände und Gesichter mit Tüchern zu bedecken, um die Abszesse zu verbergen; ihre Nachbarn tuschelten über sie, sie wurden häufig verfolgt und aus ihren Häusern vertrieben und mussten in der Welt umherziehen, aber sie glaubten, dass das Ergebnis all diese Leiden wert sei. Und nun würden sie es beweisen. Sie würden sich den Respekt erwerben, nach dem sie gierten. Zumindest konnten sie nun aufhören zu fliehen, sich ihren Verfolgern stellen und stolz entgegnen: »Dies ist es, was wir sind! Dies können wir erreichen! Seht uns und zittert!«
Kein Opfer – nicht einmal der Einsatz ihres eigenen Lebens – war ihnen dafür zu groß.
»Ich werde keinen Anteil an dem Zauber haben, wie ich es ursprünglich geplant hatte«, sagte Gareth eher barsch, um seine Enttäuschung zu verbergen. »Der Prinz hat befohlen, dass ich ihn begleite, wenn wir in die Stadt eindringen. Also wirst du, Tiumum, meine Stelle als Anführer einnehmen.«
Die Zauberer waren nicht überrascht und auch nicht verärgert. Es war nur logisch, dass Seine Hoheit seinen erfahrensten Magus an seiner Seite wünschte. Als Gareth in sich hineinschaute, begriff er, warum er so enttäuscht gewesen war. Er hatte gehofft, vollkommen in der Leere zu versinken – wenn schon nicht zu sterben, so doch zumindest das Bewusstsein zu verlieren. Er hatte, feige, wie er war, gehofft, dass er von dem, was geschehen würde, nichts erfahren würde, ehe es vorüber war.
Die Zauberer stellten sich am Flussufer in einem Kreis auf, fünfzig von ihnen, die größte Ansammlung von Zauberern der Leere seit Anbeginn der Zeit. Tiumum, die Älteste, hob ihre Stimme und sprach zur Leere, flehte sie an, sie alle aufzunehmen, sie zu umhüllen, sie zu erheben. Einer nach dem anderen fielen die anderen Zauberer ein, fügten ihre Stimmen hinzu – tiefe Bassstimmen, helle Soprane. Alle bis auf Gareth, der schweigend zusah.
Nachdem sie die Beschwörung neunmal rezitiert hatten, begannen sie im Kreis herumzugehen, einer hinter dem anderen, ein wenig schlurfend auf dem Teppich von Fichtennadeln, der das Flussufer überzog. Sie brachten Runde um Runde hinter sich, ihre Rezitation wurde lauter und wieder leiser. Jeder achtete darauf, in die Fußstapfen seines Vordermannes zu treten und den Kreis nicht zu brechen.
Die Soldaten, die sich in der Nähe des Ufers befunden hatten, zogen sich zurück, sobald die Rezitation begann. Sie nahmen an, es könnte Unglück bringen, einen Zauberer der Leere bei der Arbeit zu beobachten, also flohen sie so tief in die Wälder, wie sie es wagen konnten, um dem Gesang und dem Anblick zu entkommen. Dort im Dunkeln duckten sie sich und umklammerten Amulette, die sie gekauft oder hergestellt hatten und die sie nun um den Hals trugen, Amulette, die sie angeblich vor irgendwelchen überschwappenden Spritzern von Magie der Leere schützen sollten.
Gareth beobachtete seinerseits die Soldaten mit Verachtung und fragte sich zynisch, wie es ihnen wohl gelang, ihr Misstrauen und ihren Hass gegenüber den Magiern von der Loyalität gegenüber ihrem Kommandanten, dem Paladin der Leere, zu trennen. Vielleicht war es deshalb möglich, weil sie nie gesehen hatten, wie Dagnarus selbst einen Zauber wirkte. Sie hatten ihn mit Schild und Schwert gesehen, wie sie jeder Krieger benutzte. Nun, sie würden ihn in der Morgendämmerung als Magier erleben können, und dann würde sich herausstellen, was sie davon hielten.
Die Nacht wurde dunkler. Stunde um Stunde gingen die Zauberer im Kreis, bis sie einen runden Pfad in den Schlamm gestampft hatten. Gareth saß auf einem Baumstamm und sah zu. Er sah zu, obwohl er doch hätte schlafen sollen, um Energie für den nächsten Tag zu gewinnen. Die Rezitation hallte überall in seinem Körper wider, ließ seine Fingerspitzen kribbeln, brannte einen Kreis in sein Hirn, wie ihn die Füße der Zauberer in den Schlamm getrampelt hatten. Hätte er versucht zu schlafen, dann hätte er gesehen, wie sich dieser Kreis – ein dunkles Loch, von Feuer umgeben – immer weiter drehte. Also zog er es vor, wach zu bleiben.
Später bekam er Gesellschaft. Silwyth stellte sich neben ihn. Der Elf betrachtete die Zauberer stirnrunzelnd, aber zumindest mied er Gareth nicht, und er hatte sich keinen Hühnerfuß um den Hals gehängt, um sich vor der Magie zu schützen.
»Seine Hoheit schläft«, sagte der Elf zu Gareth. »Wann soll ich ihn wecken?«
»Eine Stunde vor der Dämmerung. Und versucht bitte, ihn vom Weinschlauch fern
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