Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
als den Botschafter der Zwerge, aber das war Dunner nicht wirklich. Er war der Berater des Botschafters, der vom Obersten Klanhäuptling Rolf Glattmähne, dem nominellen Herrscher der Zwergenklans, nach Vinnengael geschickt worden war. (Nominell, weil die Loyalität der Zwerge zu ihren eigenen Klans immer über der Loyalität zu allen anderen Klans steht und sie generell nur einwilligten, sich an die Entscheidung eines Obersten Klanhäuptlings zu halten, nachdem ihr eigener Häuptling zugestimmt hat.)
Der tatsächliche Botschafter war gestern durch das Portal gekommen und würde Vinnengael heute wieder verlassen, vielleicht sogar sofort, falls der Krieg erklärt würde. In diesem Fall würde sich Dunner ihm anschließen. Dunner nahm an, er sollte dankbar dafür sein, in seine Heimat zurückkehren zu können, und in gewisser Weise war er das auch. In anderer nicht.
Dunner hinkte durch die Schlossflure, und sein Bein bereitete ihm dabei erhebliche Schmerzen. Den Schmerzen nach zu schließen, die vor einem Sturm immer am heftigsten waren, würde es morgen regnen, und vielleicht auch noch übermorgen. Es machte dem Zwerg nichts aus, zu spät zu kommen. Der Botschafter – ein Häuptling namens Begaf Hufdonner – würde ganz bestimmt nicht pünktlich sein. Er würde irgendwann vor Sonnenuntergang im Schloss eintreffen, aber wann genau, wusste niemand.
Zwerge haben eine sehr nachlässige Einstellung gegenüber der Zeit. Sie können nicht verstehen, wie sich Menschen und Elfen über Stunden und Minuten ereifern. Ein Zwerg unterteilt den Tag in drei Teile – Sonnenaufgang, Zenit und Sonnenuntergang. Diese drei Ereignisse kennzeichnen seine Tage, und er beachtet sie, denn bei Sonnenaufgang erwacht er und bricht das Lager ab, wenn die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, legt er eine kurze Rast ein, damit sein Pferd sich erholen kann, und bei Sonnenuntergang schlägt er ein Lager auf und schläft. Er kennt keine regelmäßigen Mahlzeiten. Tatsächlich verachten Zwerge Menschen und Elfen, die, wie die Zwerge sagen, »eine Uhr brauchen, um zu wissen, wann sie Hunger haben«. Ein Zwerg isst, wenn sein Magen danach verlangt. Und was die Nacht anging – was für einen Nutzen sollte es haben, im Dunkeln auf die Zeit zu achten, wenn man doch nur schläft?
Dunner war gezwungen gewesen, sich nach der Menschenzeit zu richten, zumal dies die einzige Möglichkeit darstellte, etwas zu essen zu bekommen. Er war nach seiner Ankunft im Schloss beinahe verhungert. Ein Zwerg, der irgendwann am Nachmittag eine gute Mahlzeit sucht, hat wenig Glück. Der Koch, der damit beschäftigt war, nach dem Mittagessen aufzuräumen und mit den Vorbereitungen für die Abendmahlzeit zu beginnen, weigerte sich, dem Zwerg auch nur eine Schale Eintopf zu überlassen. Dunner gewöhnte sich an, Brot und Käse mit sich herumzutragen, und trainierte seinen Magen dazu, seine Bedürfnisse nach dem Läuten der Schlossuhren zu richten, von denen einige mit Hilfe von Wasser, andere durch Magie betrieben wurden.
»Das ist Dunner! Hallo, Dunner!«
Dunner drehte sich um und sah sich dem jungen Prinzen Dagnarus und seinem Begleiter, dem Prügelknaben (noch so eine seltsame Idee der Menschen), gegenüber. Der Prinz winkte freundlich, blieb aber nicht stehen. Der Prügelknabe – Dunner kannte den Namen des Kindes nicht – winkte ebenfalls, eher ein wenig verwirrt, und trabte hinter dem Prinzen her.
Dunner hatte an diesem Morgen zugesehen, wie der Prinz mehrmals böse vom Pferd gefallen war. Nun sah er den Jungen leichten Schrittes über den Flur rennen und beneidete ihn um seine Jugend und seine Widerstandsfähigkeit. Ein Sturz vom Pferd als Kind hatte Dunners Leben als Reiter beendet. In Wahrheit hatte der Sturz, bei dem die Knochen in seinem linken Bein zersplittert waren, seinem Leben als Zwerg ein Ende gemacht. Der Bruch war auf Zwergenart behandelt worden – man hatte das Bein fest geschient und es sich selbst überlassen. Während der Zeit, die zur Heilung nötig war, hatte man Dunner auf einer Art Sänfte herumgezerrt – einem Stück Zelttuch, das an zwei Holzstangen gebunden und hinter dem Pferd seiner Mutter befestigt worden war. Die Stangen ruckten über den Boden und ließen bei jeder Bewegung stechenden Schmerz durch das Bein des Kindes zucken.
Als der Verband abgenommen wurde, waren die Knochen zwar wieder zusammengewachsen, aber an den falschen Stellen, und Dunners Bein war krumm, was dazu führte, dass er nicht länger als ein paar Meilen an
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