Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
hatte nun einen besseren Blick und sah mit widerwilliger Bewunderung zu, beeindruckt davon, wie die Krieger mit einer Waffe umgingen, die nach seiner Ansicht für den, der sie schwang, ebenso gefährlich war wie für den Gegner. Er bemerkte, dass einer der Taan offenbar schwächer wurde und stolperte. Er fiel auf ein Knie nieder und wich nicht so schnell zurück wie zuvor. Er brauchte einen Augenblick, um Luft zu bekommen.
Sein Gegner gab ihm diese Möglichkeit nicht, sondern bedrängte ihn weiter und zwang den Taan, wieder auf die Beine zu kommen. Der Wettbewerb fand kurze Zeit später ein Ende, als der stärkere Taan dem schwächeren die Waffe aus der Hand trat und ihn mit einem Schlag auf den Kiefer zu Boden schickte.
Der besiegte Taan lag da, blinzelte zum Himmel auf und versuchte vermutlich, sich daran zu erinnern, wer er war und was ihn hierher gebracht hatte. Der Sieger beugte sich über ihn, die Waffe in der Hand für den Fall, dass sein Gegner weiterkämpfen wollte, aber einen Augenblick später zeigte der andere Taan in einer ergebenen Geste auf den Überlegeneren.
Aus der Menge erklang Jubel und Zischen, je nachdem, wer auf wen gewettet hatte. Auf eine Geste des Schamanen hin eilten die beiden Schüler heran, um sich um den Verwundeten zu kümmern. Der setzte sich aufrecht hin, schüttelte halb betäubt den Kopf und wehrte die Jungschamanen mit einem zornigen Fauchen ab. Der Sieger stolzierte umher, fuchtelte mit den Armen und johlte. Der Verlierer hinkte zurück zum Kreis und weigerte sich, jemanden anzusehen oder etwas zu sagen.
Dag-ruk trat vor, kündigte den nächsten Wettbewerb an, und ein neuer Kampf begann. Diesmal waren es zwei erfahrene Krieger. Die beiden standen einander in nichts nach und schwangen gebogene Schwerter mit gezähnten Kanten und ein anderes, seltsam aussehendes Ding – zwei mit Leder überzogene, zu einem X zusammengebundene Stöcke. Rabe bemerkte erstaunt, dass die Taan dieses Ding benutzten wie ein menschlicher Schwertkämpfer einen Schild; sie hielten das X in einer Hand und drehten es hin und her, um Schwerthiebe abzuwehren oder zu versuchen, dem Gegner die Waffe aus der Hand zu reißen. Rabes Bewunderung für diese Krieger wuchs. Er war so aufgeregt, dass er sich für einen kurzen Moment vergaß und laut »Gut gemacht! Gut gemacht!«, rief. Ein paar Taan hörten ihn und starrten ihn an. Eine Sklavin warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Er wusste, er hätte sich schämen sollen, aber ein guter Schlag war ein guter Schlag, ganz gleich, wer das Schwert führte.
Der Kampf sah aus, als würde er den ganzen Tag und auch noch die halbe Nacht dauern, denn keiner der Gegner war dem anderen überlegen. Beide fügten einander Wunden zu. Keiner wurde schwächer, und schließlich unterbrach Dag-ruk den Kampf. Sie erklärte einen der Taan zum Sieger. Rabe war mit ihrer Entscheidung einverstanden, aber die Verliererin nicht. Sie stampfte auf den Boden, warf ihr Schild und ihr Schwert hin und wirbelte mit einem weiteren Tritt Dreck in die Richtung der Jagdmeisterin. Plötzlich waren die Taan totenstill. Dag-ruk warf der Verliererin einen bösen Blick zu, dann streckte sie sehr langsam und entschlossen die Hände in Richtung des Siegers, der ihr Schwert und Schild übergab. Die Jagdmeisterin trat der Verliererin gegenüber. Die Kriegerin schien die Herausforderung zunächst annehmen zu wollen, aber dann kühlte ihr Ärger ab, und die Vernunft gewann die Überhand. Sie warf unter gesenkten Lidern einen Blick zu Dag-ruk, dann hob sie die Hand und zeigte auf den Sieger, obwohl sie sich weigerte, ihn anzusehen. Schließlich drehte sie sich auf dem Absatz um und ging zurück zu ihrem Zelt.
Dag-ruk und der Schamane R'lt wechselten einen Blick. Die meisten Krieger schauten ernst drein, ein paar Arbeiter zischten. Rabe nahm an, dass die Verliererin mehr verloren hatte als den Kampf. Nun besaß sie auch die Hochachtung ihres Stammes nicht mehr.
Rabe spannte sich an. Wie ein altes Schlachtross war er aufgeregt vor dem Kampf, vom Geruch nach Blut, dem Klirren von Stahl. Er war selbst bereit zu kämpfen und hoffte, der Nächste zu sein. Und er wurde belohnt, denn Dag-ruk sagte etwas zu Qu-tok, der daraufhin Rabe anschaute.
Rabe hoffte, Qu-tok würde seinen Gefangenen selbst holen und sie könnten die Angelegenheit gleich an Ort und Stelle hinter sich bringen. Aber solch niedrige Arbeiten waren selbstverständlich unter der Würde eines Kriegers. Qu-tok schickte zwei Arbeiter, beide kräftige
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