Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Arim freundlich, »wie heißt Ihr überhaupt?«
»Ich habe meinen Namen noch nicht gewählt«, erklärte Jessan errötend, »aber man nennt mich Jessan. Das hier ist mein Freund Bashae, und das ist die Großmutter.«
Der Nimoreaner verbeugte sich anmutig der Reihe nach vor jedem der drei.
»Ich heiße Arim«, sagte er. Er zeigte die Straße entlang. »Mein Heim ist nicht fern von hier. Wenn Ihr mir die Ehre erweisen wollt, mich zu begleiten, können wir dort etwas zu essen und zu trinken und einen Ort finden, an dem wir uns unterhalten können, ohne andere zu stören.«
Die Großmutter schaute den Nimoreaner an. Er begegnete ihrem Blick und wich nicht aus.
»Ich weiß ja nicht, wie dir zu Mute ist, Jessan«, erklärte sie, »aber ich hätte nichts gegen ein Haus, in dem ich meine Füße in einen Eimer Wasser stecken kann.«
Dann streckte sie die Hand aus und rieb mit dem Zeigefinger über den Arm des Nimoreaners. »Geht diese Farbe ab, schwarzer Mann?«, fragte sie und starrte im Zwielicht ihre Fingerspitze an. »Nein, offenbar nicht.« Sie klang ehrfürchtig. »Wie schaffen es die Leute hier, dass sie hängen bleibt?«
»Meine Haut ist nicht gefärbt und auch nicht bemalt. Ich wurde mit dieser Farbe geboren. Alle Nimoreaner haben schwarze Haut.«
»Nun kann ich wirklich sterben«, erklärte die Großmutter entschlossen. »Ich habe einen Elf gesehen und Menschen mit Haut so schwarz wie die Nacht. Jetzt kann ich sterben.«
»Ich hoffe, Ihr werdet noch lange am Leben bleiben«, erklärte Arim höflich.
»Ha!« Die Großmutter lachte leise und schubste ihn mit dem Finger an. »Gleichfalls.«
In der Straße, in der Arim wohnte, standen die Häuser so dicht nebeneinander, dass nur Stein- oder Holzwände eins vom anderen trennten. Das diente nicht nur dem Zweck, Platz zu sparen – was in einer ummauerten Stadt immer wünschenswert ist –, sondern sollte im Winter, der so weit im Norden sehr streng werden konnte, auch Wärme speichern. Nur wenige Häuser hatten Fenster, denn das hätte der Kälte Zutritt gewährt. Und alle Häuser sahen mit ihren weißen Steinmauern, die sich kalkweiß im Dunkel abzeichneten, gleich aus. Bashae fragte Arim verschlafen, wie er sein eigenes Haus erkannte, aber sein kieferbrechendes Gähnen verhinderte, dass er die Antwort hörte.
Arim schloss die Haustür mit einem Schlüssel auf und erklärte, dass man leider selbst in Mynamin mit Dieben rechnen musste. Jessan verzog das Gesicht über diese seltsamen Angewohnheiten von Stadtbewohnern und fragte sich wieder einmal, wieso jemand, der zwei gesunde Füße hatte, an einem solchen Ort blieb. Er erklärte stolz, dass Trevinici keine Schlösser an ihren Türen brauchten. Arim lächelte und sagte, dass sich Jessan sicher glücklich schätzte, von einem solch edlen Volk abzustammen.
Jessan fühlte sich in Häusern immer unbehaglich, aber dieses hier war noch schlimmer, weil es keine Fenster hatte. Es war ein kleines Haus mit nur zwei Zimmern, einer Wohnküche vorn und einem hinteren Zimmer, das als Schlafraum diente. Die Räume waren allerdings wunderschön eingerichtet. An den Wänden hingen Drachen. Ihre bunten Farben leuchteten im Schein des Feuers, das Arim in einer erhöhten, nach allen Seiten offenen Feuerstelle entzündete. Am Boden lagen schöne, weiche, dicke Teppiche. Arim rollte weitere Teppiche aus und bat seine Gäste, es sich bequem zu machen, während er sich ums Essen kümmerte. Bashae und die Großmutter legten sich neben das Feuer und waren bald fest eingeschlafen. Jessan legte sich nicht hin, sondern blieb mit dem Rücken an die Tür gelehnt sitzen, so nahe an der Außenwelt wie möglich. Er war fest entschlossen, auf keinen Fall einzuschlafen, denn er wollte diesen Nimoreaner im Auge behalten. Aber der Tag war einfach zu anstrengend gewesen. Es war still im Haus, die dicken Steinmauern schlossen alle Geräusche der Stadt aus, und die Teppiche dämpften die Geräusche drinnen.
Arim huschte hin und her, murmelte etwas darüber, dass er ihnen etwas zu Essen bereiten würde, wenn sie ihm die Ehre erweisen wollten, seine Gäste zu sein und seine kärgliche Mahlzeit mit ihm zu teilen. Er sprach leise, bewegte sich leise, und seine Bewegungen waren so anmutig, dass es aussah, als glitte er über den Boden und benutzte seine Füße überhaupt nicht. Jessan döste immer wieder ein, dann sank sein Kopf auf die Brust.
Er schreckte wieder auf, als er Bashaes schrille und Arims wohltönende Stimme hörte. Bashae saß auf einem
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