Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
sie getan?«
Erst antwortete Wolfram nicht. Als er es schließlich tat, war seine Stimme rau vor Zorn. »Gilda wollte ein Paladin sein. Sie hat sich so angestrengt, doppelt so viel wie ich. Sie war viel, viel würdiger als ich. Ich bin überwiegend wegen ihr mitgekommen. Und sie haben sie getötet. Sie ist in den Flammen gestorben. Ich kann sie immer noch vor mir sehen… höre immer noch ihre Schreie…«
Er konnte nicht mehr sprechen. Er biss sich auf die Lippen, schluckte gegen die aufsteigende Galle an. Als er sich wieder besser im Griff hatte, blickte er trotzig auf.
»Ich habe ihr mein Medaillon gegeben. Es war von Rechts wegen ihres. Ich habe es mit ihrer Asche in die Urne gelegt und sie unter dem hohen Gras der Ebenen unserer Heimat begraben, neben Dunners Grab. Dann bin ich gegangen und nie wieder zurückgekehrt.«
Kolost machte sich daran, das Feuer abzudecken, und vollzog ehrfürchtig jene Teile des nächtlichen Rituals, welche auch den Zwergen erlaubt sind, die keine Feuermagier sind. Dann wickelte er sich in seine Decke und schlief ein.
Wolfram träumte in dieser Nacht, dass Gilda ihm zurief, er solle aufwachen, wie sie es getan hatte, als sie noch Kinder waren. Als er dann tatsächlich aufwachte, dämmerte der Morgen, und sie war nicht da.
Die Zwerge wussten, dass sie ihre Heimat erreicht hatten, als sie den Fluss überquerten, welchen die Zwerge Arven nannten. Den Namen hatten auch die Menschen übernommen und nun auf ihren Karten verzeichnet. Der Drache flog über NeuVinnengael und gab Kolost die einzigartige Möglichkeit, die Verteidigungsanlagen aus der Luft zu betrachten. Auf seine Bitte hin umkreiste Ranessa die Stadt sogar. Ihr Erscheinen brachte die Menschen aus den Wohnhäusern und Läden heraus auf die Straßen. Die Wachen auf den Zinnen reckten die Hälse. Ranessa behauptete, dass sie so tief flog, damit Kolost alles gut sehen konnte, aber Wolfram nahm an, dass ihr die Aufmerksamkeit gefiel.
Drachen waren in Loerem ein seltener Anblick. Ranessa war vermutlich der erste, den die meisten Leute je erblickten. Einige waren so entzückt, dass sie den Wehrgang entlangrannten, um sie so lange wie möglich im Blickfeld zu behalten. Wolfram amüsierte sich damit, ihnen zuzuwinken, aber er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnten.
»Eine große Stadt«, verkündete Kolost. »Mit starken Mauern.«
Wolfram fand, dass dies ein wenig entmutigt klang, und warf ihm einen Blick zu.
»Der Trick besteht darin, sie vor diese Mauern zu locken«, sagte Kolost mit einem Zwinkern und einem Grinsen.
Wolfram verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
Sobald sie den Fluss hinter sich hatten, wandte sich Ranessa nach Süden. Sie traute sich noch nicht zu, über die hohen Gipfel des Zwergengebirges zu fliegen, also folgte sie der Küste des Sagquannomeers, da sie sich Saumel von Süden aus nähern wollte.
Saumel war an die Seite einer engen Felsschlucht gebaut, welche über dem Saumelsee aufragte. Die Stadt lag nahe dem Sagquannomeer und war zum wichtigsten Handelszentrum für das Zwergenland geworden. Saumel verfügte als einzige Zwergenstadt über einen Hafen und hieß als einzige die Besucher anderer Völker willkommen (obwohl »willkommen« vielleicht ein etwas zu übertriebener Begriff war).
Angehörige anderer Völker durften nicht in der Stadt wohnen, aber Händler konnten am Rand der Stadt einen zeitweiligen Wohnsitz unterhalten. Nur in den Straßen von Saumel traf man auch Menschen, Orks und Elfen an, obwohl die Fremden sich nur in bestimmten Bezirken aufhalten durften.
Da die pferdelosen Zwerge von Saumel sich mit Angehörigen anderer Völker abgaben und sogar mit ihnen zurechtkamen (na ja, halbwegs zumindest), hatte Dunner angenommen, dass die Zwerge von Saumel neuen Ideen gegenüber offener sein würden als die meisten anderen, und daher hatte er den Stein der Könige dorthin gebracht. Man hatte ihn schwer enttäuscht. Der Stein war über zweihundert Jahre lang in der Stadt gewesen, und nur eine Gruppe von Straßenkindern hatte sich für ihn interessiert.
»Es ist typisch für die Zwerge, den Stein erst zu wollen, wenn er weg ist.«
Ranessa setzte sie ohne weitere Vorfälle in den Ausläufern der Berge ab. Ihre Landungen waren besser geworden, ebenso wie ihre Laune. Feuer hatte Recht gehabt. Weit entfernt vom Drachenberg, allein mit ihren Gedanken, fühlte sich Ranessa in ihrer Drachenhaut erheblich wohler.
Dennoch, sie war und blieb Ranessa. Wolfram hatte das unangenehme Gefühl, dass
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