Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Zukunft schauen zu können, dass ich wirklich wusste, dass man mir Land und Titel nehmen und mich zum Ziel für Attentäter machen würde, aber das ist leider nicht der Fall, meine Liebe.«
»Ha!«, sagte sie. »Du hast dich dazu entschlossen, nach Krammes zu gehen, weil es sich so weit wie möglich von NeuVinnengael entfernt befindet und weil du unter den Offizieren der Kavallerieakademie Freunde hast. Freunde, welche dir helfen werden, die Burg zurückzuerobern…«
Shadamehr rollte den Ärmel hoch. »Sieh dir das an. Ein blauer Fleck! Du weißt doch, wie schnell ich blaue Flecken bekomme.«
»Du hast immer gesagt, dass diese Schule die besten Offiziere der Welt ausbildet«, fuhr Alise fort. »Sie werden Dagnarus nicht so leicht folgen, ebenso wenig wie die Bürger von Krammes. Wir werden eine Armee aufstellen und NeuVinnengael angreifen. Du hast den Stein der Könige. Du müsstest zwar immer noch Paladin werden, aber ich bin sicher, dass die Götter deine Charakterfehler übersehen und dich bei der Verwandlung nicht zu Holzkohle verbrennen …«
»Was würdest du sagen, wie stehen die Chancen, dass das nicht passiert?«, unterbrach Shadamehr sie. »Dass ich zu Holzkohle werde, meine ich.«
»Hm. Siebzig zu dreißig, denke ich«, erklärte Alise.
»Siebzig was und dreißig was?«
»Siebzig, dass sie dich braten.«
»Nicht besonders aussichtsreich«, stellte er fest.
»Ich wüsste keinen Grund, wieso du etwas Besseres zu erwarten hättest.«
»Wahrscheinlich hast du Recht.«
»Du könntest natürlich etwas unternehmen, um deine Chancen zu verbessern.«
»Hältst du das für möglich?«
Alise wollte gerade eine boshafte Bemerkung machen, aber dann sah sie ihn noch einmal forschend an und überlegte es sich anders. »Shadamehr, ich glaube, du meinst das ernst.«
»Ich habe hin und wieder daran gedacht«, gab er zu. »Und an Bashae, der sein Leben geopfert hat, um den Stein zu beschützen. Um ihn dann ausgerechnet mir zu geben. Und was kann ich damit anfangen? Absolut gar nichts. Ich weiß nicht, was ich tun soll«, fügte er hinzu. »Berufe ich den Rat ein, wie Damra es will? Oder bringe ich den Stein nach AltVinnengael, wie Gareth mir in der Vision geraten hat?«
Er wandte sich ab und starrte nachdenklich aufs Meer hinaus.
»Du weißt doch, dass ich das nicht ernst gemeint habe, oder?« Alise legte ihm die Hand auf den Arm und massierte die Stelle, an welcher sie ihn mit der Faust getroffen hatte. »Ich glaube nicht, dass es einen Mann auf der Welt gibt, der besser geeignet ist, Paladin zu werden. Die Götter müssten verrückt sein, wenn sie dich nicht nehmen.«
»Genau das macht mir Kummer«, sagte Shadamehr. »Die Götter. Mein Leben lang hatte ich mein Schicksal selbst in der Hand. Ich habe vielleicht hier und da etwas verpatzt, aber dann war das allein meine eigene Schuld. Mich dem Schicksal oder den Göttern zu überlassen oder wie immer du es nennen willst – das macht mir wirklich Angst, Alise.«
»Ich glaube nicht, dass es genau das ist«, meinte sie.
»Wie meinst du das?« Er sah sie neugierig an.
Shadamehr zeichnete sich als Silhouette vor dem blauen hier und da von weißer Gischt gekrönten Meer ab. Möwen huschten über die Wellenkämme, entweder auf der Suche nach Fisch oder einfach, weil sie es genossen, durch die Gischt zu fliegen. Der Wind zerzauste Shadamehrs langes Haar. Die Sonne hatte sein Gesicht gebräunt, und dadurch wirkten seine Augen so blau wie das Meer. Das Lachen, das für gewöhnlich in seinen Augen tanzte wie die Sonne auf dem Wasser, war verschwunden. Sie begriff, dass er ihr sein Herz offen gelegt, ihr all seine Ängste und seine Zweifel verraten hatte, und daher dachte sie lange nach, bevor sie antwortete und versuchte, das zu erklären, was für sie selbst so unerklärlich war.
»Es gibt einen Zauber, der einigen Erdmagiern beigebracht wird«, sagte sie schließlich so langsam, als ginge sie jedes einzelne Wort im Geist noch einmal durch, um ganz sicher zu sein, dass es auch das richtige war. »Ein
Zauber,
den wir als den Irdenen Mörder bezeichnen. Damit können wir eine Masse von Stein zu uns rufen und sie unserem Willen unterwerfen. Diese Masse hat keinen Geist. Sie hat keinen eigenen Willen. Sie denkt nicht über das nach, was sie tut. Der Magier muss dieses Ding beherrschen, denn es könnte ebenso gut ihn töten wie seine Feinde.«
Alise schaute Shadamehr in die Augen. »Die Götter wollen keinen Irdenen Mörder. Die Götter wollen Männer und Frauen,
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