Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
zehn Fuß entfernt. Draußen konnte er Wasser rauschen hören – ein ganz anderes Geräusch als das sanfte Plätschern des friedlich dahinströmenden Flusses.
Er hörte ein Stöhnen und ein Seufzen, drehte sich um und sah, dass Damra neben ihm lag. Ihre Hände und Füße waren ebenso gebunden wie die seinen.
»Wie seltsam«, meinte Shadamehr. »Ihre magische Rüstung hätte sie eigentlich beschützen sollen. Seltsam. Sehr seltsam.«
Er bewegte vorsichtig die Hände. Als er feststellte, dass die Knoten fest und sicher waren, zuckte er mit den Schultern. Er würde nirgendwo hingehen, zumindest im Augenblick nicht.
»Ich sagte – wer bist du?«, wiederholte die Stimme kriegerisch.
»Bist du ein Gefangener?«, fragte Shadamehr.
»Nein, ich bin wegen meiner Gesundheit hier!«, fauchte die Stimme.
Sobald Shadamehrs Augen sich der Dunkelheit ein wenig besser angepasst hatten, konnte er schließlich eine kleine, kräftige Gestalt erkennen, die mit Seilen an Armen und Beinen gefesselt war und mit dem Rücken gegen den Felsen lehnte. Von dem Gesicht seines Mitgefangenen war allerdings nicht mehr zu erkennen als zwei Augen, die empört blitzten.
»Ein Zwerg!«, sagte Shadamehr.
»Was hat das damit zu tun, dass wir hier sitzen?«, wollte der Zwerg wissen.
»Ich werde Euch sagen, wie ich heiße. Ich heiße Shadamehr. Ich war einmal Baron Shadamehr, aber jetzt habe ich kein Land und kein Geld mehr. Ich würde Euch ja die Hand schütteln, aber im Augenblick ist das leider unmöglich.«
»Ich habe von dir gehört«, knurrte der Zwerg.
»Hoffentlich nur Gutes.«
»Ich versuche, meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen!« Der Zwerg hielt einen Augenblick inne, dann sagte er mürrisch: »Ich heiße Wolfram.«
»Bei den Göttern!« Shadamehr keuchte erstaunt auf. »Ich habe auch von Euch gehört.«
Etwas klickte in Shadamehrs Geist wie der Mechanismus einer Wasseruhr. Es war nur ein Gedankenrinnsal, aber es genügte, um den Mechanismus schneller in Gang zu setzen. Er hatte das Gefühl, dass auch etwas für Wolfram geklickt hatte, denn das Misstrauen des Zwergs wurde ein bisschen geringer.
»Kennst du einen Vinnengaelier namens Ulaf?«
»Kennt Ihr einen Trevinici namens Jessan und einen Pecwae namens Bashae?«
Damra setzte sich auf und starrte erstaunt ihre Fesseln an. »Was ist passiert?«
»Das frage ich mich auch«, antwortete Shadamehr. »Eure magische Rüstung hätte Euch schützen sollen.«
»Was für eine magische Rüstung?«, erkundigte sich Wolfram misstrauisch.
»Wer ist das?«, fragte Damra ebenso misstrauisch.
»Damra, das hier ist Wolfram, der bei Ritter Gustav war, als dieser starb – Bashae hat mir das erzählt. Wolfram, das hier ist Damra, die Person, zu der Bashae den Stein gebracht hat. Es scheint, als habe sich der Kreis geschlossen«, meinte Shadamehr. »Ich weiß, wie ich hierher gekommen bin, Wolfram. Die Orks haben uns hergeschleppt. Wie seid Ihr hierher gekommen? Haben die Orks Euch ebenfalls an diesen Ort gebracht?«
Wolfram brummte und knurrte ein wenig, aber schließlich erfuhren sie seine Geschichte.
»Ihr seid also Shakur begegnet. Ihr reist in hoher Gesellschaft, Wolfram«, sagte Shadamehr.
»Und Ihr habt Glück, dass Eure Seele unversehrt geblieben ist«, fügte Damra hinzu.
»Dein Freund Ulaf suchte nach dir, Baron. Er hatte eine Botschaft für dich.«
»Immer alles schön der Reihe nach. Wann ist all das passiert?«, fragte Shadamehr.
»Vor nicht allzu langer Zeit«, sagte der Zwerg ausweichend.
»Wenn ich in Bezug auf den Ort, an welchem wir uns befinden, Recht habe«, meinte Shadamehr, »ist Mardurar ein ganzes Stück entfernt.«
»Wenn du es unbedingt wissen willst, es gibt ein wildes Portal am Meffeld-Pass«, sagte Wolfram. »Ich habe es benutzt. Ich habe es nämlich eilig. Weißt du, ich habe ein Herrenhaus im Norden geerbt …«
»Von Ritter Gustav«, sagte Damra.
»Vergiss Ritter Gustav«, knurrte Wolfram. »Ich war auf dem Weg zu meinem Herrenhaus. Ich bin aus dem Portal spaziert, und als Nächstes wird ein Schatten lebendig und ragt vor mir auf. Dann fällt die Sonne vom Himmel und zieht mir eins über den Schädel, sodass ich das Bewusstsein verliere. Und das hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn …« Er hielt inne und schloss den Mund.
»Denn…«, drängte Shadamehr.
Wolfram schwieg weiter.
»Denn Eure magische Rüstung hätte Euch eigentlich beschützen sollen«, sagte Shadamehr. »Genau wie Damra von der ihren hätte beschützt werden
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