Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
ab.
Ulaf sah ihn besorgt an, aber er hatte es eilig. Er konnte nicht länger bleiben, um weitere Fragen zu stellen. Der Zwerg würde ihm ohnehin nichts verraten.
»Die Götter seien mit euch«, sagte Ulaf.
Sein Segen galt ihnen allen, aber sein Blick verweilte am längsten auf Wolfram, der ihn störrisch erwiderte.
Ulaf trieb sein Pferd an und galoppierte die Straße entlang.
Wolfram sah ihm nach und kaute nachdenklich auf der Unterlippe.
»Wir sollten uns auf den Weg machen«, meinte Jessan. »Mir gefällt es hier nicht.«
»Die Leere ist hier sehr stark«, stimmte Ranessa ihm zu.
»Wohin willst du. Neffe?«, fragte sie zögernd.
»Nach Hause«, erwiderte Jessan. Er bemerkte, dass er Ranessa kaum ansehen konnte. Es kam ihm ganz richtig vor, dass sie jetzt ein Drache war. Sie hatten immer gewusst, dass etwas mit ihr als Mensch nicht stimmte. Aber es fiel ihm immer noch schwer, das alles zu verstehen.
»Der Weg zurück ins Land der Trevinici ist lang und gefährlich«, sagte Ranessa. »Ich weiß das, weil ich ihn zusammen mit dem Zwerg zurückgelegt habe.«
Sie schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich werde dich, Neffe, die Großmutter und Bashaes Leiche zurück ins Land der Trevinici bringen.«
Jessan sah sie verblüfft und dann entsetzt an. »Nein, Tante …«
»Wir sind einverstanden«, sagte die Großmutter.
»Großmutter«, meinte Jessan. »Du verstehst das nicht.«
»Ich verstehe es gut genug«, erwiderte die Großmutter gereizt. »Ich bin alt. Ich bin nicht dumm. Sie ist ein Drache, und sie wird uns nach Hause fliegen. Dort ist vielleicht nicht mehr alles so, wie wir es verlassen haben«, fügte sie hinzu und sah ihn mit blitzenden Augen an. »Hast du daran schon gedacht? Was, wenn der Stamm weitergezogen ist? Wie sollen wir sie finden? Es wäre viel leichter, wenn wir Flügel hätten. Sie« – die Großmutter zeigte auf Ranessa – »verleiht uns Flügel. Ich habe den Stock verloren«, sagte sie dann mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Ich musste ihn zurücklassen. Jetzt habe ich keine Möglichkeit mehr, das Böse zu erkennen. Wir sollten mit Ranessa gehen. Sie will das für dich tun. Sie will alles richtig machen.«
»Ranessa ist eine gute Seele, Junge«, fügte Wolfram hinzu. »Du kannst ihr dein Leben anvertrauen. Ich habe das getan, und ich hatte keinen Grund, es zu bedauern.«
»Du möchtest doch nach Hause, oder, Jessan?«, drängte die Großmutter.
»Ja«, antwortete Jessan. »Ich möchte es mehr als alles andere.«
»Also gut«, sagte Ranessa. »Keine Debatten mehr. Jessan, du und die Großmutter …«
»Und Fenella«, warf die Großmutter ein. »Sie kommt mit uns.«
»Das ist unmöglich«, erklärte Wolfram entschlossen. »Fenella ist ein Zwerg. Sie gehört zu ihrem Volk.«
»Wie wird sie dorthin gelangen? Wirst du sie hinbringen?«
Wolfram wusste nicht weiter. Er kratzte sich verwirrt am Kinn. Er konnte Fenella nicht mit nach Alt-Vinnengael nehmen. Und er konnte das Kind wohl kaum den ganzen Weg zurück nach Saumel bringen.
»Es ist einfach nur… Nun, ich dachte, ich könnte vielleicht…«
»Waren ihre Leute gut zu ihr?«, fragte die Großmutter.
Fenella klammerte sich fest an die Hand der Großmutter, die dunklen Augen auf Wolfram gerichtet. Der Zwerg dachte an den Schrein, der nun leer stand. Er dachte an Dunners Kinder und an das Mädchen, das keiner vermisst hatte. Und er dachte an diese anderen Kinder, Wolfram und Gilda, die niemanden auf der Welt gehabt hatten außer einander.
»Entscheide du, Fenella«, sagte Wolfram. »Wo willst du hingehen, Kind? Willst du zurück in deine Heimat? Oder willst du bei der Großmutter und ihrem Volk leben?«
»Wirst du nach Saumel zurückkommen, Wolfram?«, fragte Fenella. »Und der Stein der Könige?«
»Das weiß ich nicht, Fenella«, sagte Wolfram. »Das kann ich dir nicht sagen.«
»Ich wäre gern eines Tages ein Paladin«, erklärte Fenella. »Aber bis dahin möchte ich gern mit der Großmutter gehen. Ich kann immer wieder nach Hause zurückkommen, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Wolfram. »Du kannst immer wieder nach Hause kommen.«
Sie hoben Bashaes Leiche in ihrem weichen Kokon von der Sänfte. Jessan, die Großmutter und Fenella bereiteten Bashae für die Reise auf dem Drachenrücken vor.
Wolfram sah eine Weile zu. Es war Zeit für ihn zu gehen, aber plötzlich widerstrebte es ihm, sich zu verabschieden. Er war lange nicht mehr allein unterwegs gewesen.
Er ging zu Ranessa, die zu den Sternen
Weitere Kostenlose Bücher