Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Shadamehr demütig.
Damit blieb nur noch Valura in der Gestalt von Silwyth übrig, die mit dem Lord der Geister auf der Rampe stand. Das ruhige, gelassene Gesicht des geheiligten Todes schaute in die hohlen Augen des schauerlichen, verwesenden Schädels.
»Ihr könnt nicht mitkommen«, sagte der Lord der Geister.
Angst und Verzweiflung erfüllten die Leere. Aber Valura wich nicht zurück. Sie stellte sich ihrem Schicksal. Sie schaute den Paladin vor sich an.
»Du kannst mich nicht aufhalten. Nichts kann mich aufhalten«, sagte Valura. »Mein Herr will mich neben sich. Ich habe all das aus Liebe zu ihm getan.«
»Eine Liebe, die dich deine Ehre gekostet hat«, erwiderte der Paladin streng. »Eine Liebe, die nichts gegeben und alles genommen hat. Eine Liebe, die sich von sich selbst und von dir genährt hat.«
»Dennoch«, antwortete Valura und starrte direkt in das kalte, brennende Licht, »es war die einzige Liebe, die ich kannte.«
Viele Tage war Rabe mit dem lebenden Tod in Gestalt des Taanvrykyl unterwegs gewesen. Vielleicht hatte ihn das gegen die schrecklichen Dinge abgehärtet, die er in den Ruinen von Vinnengael zu sehen bekam. Oder vielleicht hatten ihn seine Jahre auf dem Schlachtfeld hart werden lassen. Er verspürte beim Anblick der Unschuldigen, die gestorben waren, so etwas wie unpersönliches Mitgefühl, aber ein Krieger weiß, dass der Kriegsgott keinen Unterschied macht, ob einer nun für das Bluten bezahlt wird oder unwissend in seine Klauen taumelt. Rabe spürte überhaupt nichts, als er die Leichen unbegrabener Soldaten fand, er wiederholte nur in seinem Herzen das Gebet des Kriegers, dass ihm ein solches Schicksal erspart bleiben oder, falls es sich nicht verhindern ließe, der Kriegsgott seinen Geist dennoch aufnehmen möge.
Er und K'let nahmen einen anderen Weg als die Paladine. Sie benutzten die Rampe nicht. Sie beobachteten einen Augenblick, wie die anderen hinaufstiegen, dann zeigte K'let auf eine Treppe. K'let ging voran, und Rabe folgte ihm. Er wusste nicht, worin sein Schicksal bestehen würde, aber er akzeptierte es, machte seinen Frieden damit.
Ihr Ziel lag irgendwo oben auf dem Berg, in welchen die Stadt gebaut worden war. Jedes Mal, wenn sie eine Rast einlegten, wandte sich K'let in diese Richtung. Rabe hatte keine Ahnung, was sich dort befand. Er wusste wenig oder gar nichts über die Stadt. Er hatte Geschichten über ihre Zerstörung gehört, aber er konnte sich nicht an die Einzelheiten erinnern. Städte im Belagerungszustand sind für Trevinicikrieger Nebensache. Anständige Schlachten werden in weit offenem Gelände ausgetragen, mit Armeen, die einander angreifen und mit ohrenbetäubendem Waffenklirren aufeinander stoßen. Brennendes Gelee auf wehrlose Leute zu schleudern, die hinter Mauern festsitzen, ist nicht das, was sich ein Trevinici unter Krieg vorstellt.
Was immer dort oben sein mochte, K'let hatte es eilig, es zu erreichen. Der Taan stieg rasch und zielbewusst nach oben und benutzte Hände und Füße, um die abbröckelnde Treppe hinauf zugelangen. Rabe, dem die untote, ausdauernde Kraft des Vrykyl fehlte, kletterte langsamer und musste häufig innehalten, um nach Luft zu schnappen. Er konnte jedes Mal spüren, wie K'let ihn wütend anstarrte, und da es unangenehm war, in die toten Augen des Taan zu schauen, zwang sich Rabe dazu, so gut wie möglich Schritt zu halten.
Sie hatten etwa die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als Rabe die Berührung an seinem Arm spürte und den Schrei hörte. Er zog sein Messer und sah sich rasch um. Er hörte nichts. Seine Haare sträubten sich. Trevinici erzählen keine Geistergeschichten. Ihr Respekt für die Toten ist zu groß, und Rabe hatte nicht vor, seiner Phantasie nachzugeben.
»Spinnweben«, sagte er sich und machte weiter.
Die Hände zerrten an ihm, stießen ihn und versuchten, ihn von der Treppe zu schieben. Stimmen klirrten in seinen Ohren, heulten und kreischten, sodass er sich beinahe taub fühlte. Er versuchte, nicht weiter auf diesen unsichtbaren Feind zu achten und weiterzuklettern, aber er fiel weiter und weiter zurück. Der Kampf nahm ihm die Kraft. Er keuchte. Jede Bewegung war ein Sieg. Die Treppe schien sich endlos auszudehnen, und die nebelverhangene Klippe befand sich immer noch hoch über ihm.
Rabe brach zusammen. Er konnte nicht mehr weiter. Er duckte sich, wehrte unsichtbare Fäuste und Füße ab, fluchte und schlug um sich.
Eine Hand packte ihn am Arm.
Rabe keuchte, schauderte und schrie
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