Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
glauben nur, dass sie sie geschickt haben. Die Auserwählten sind auf meine Veranlassung hin hier.«
Der Drache war beunruhigt. »Du solltest deinen Freunden nicht trauen, Lord der Leere. Und deine Feinde nicht unterschätzen.«
»Ich habe keine Freunde«, erwiderte Dagnarus. »Und meine Feinde stürzen vor mir nieder. Heute wird der Stein der Könige endlich mir gehören.«
»Gib den Stein der Könige auf«, sagte der Drache verächtlich. »Du brauchst ihn nicht.«
»Ich brauche ihn nicht«, stimmte Dagnarus ihm zu. »Aber ich will ihn haben. Lebe wohl, weiser Meister, und ich danke dir, dass du mich zu meinem Schicksal getragen hast.«
Der Drache breitete die schwarzen Flügel aus. Nacht senkte sich über Alt-Vinnengael, sodass man den Nebel nur noch spüren, aber nicht mehr sehen konnte. Die Regenbögen waren schon lange verschwunden.
Der Drache verharrte noch einen Augenblick.
»Lord der Leere«, rief er Dagnarus hinterher, »was wirst du mit dem Stein der Könige anfangen, wenn er dir gehört?«
Dagnarus stand auf dem Berg von Trümmern, welche einmal der Tempel der Magier gewesen waren. Die Trümmer waren unsicher und verrutschten unter seinem Gewicht. Er hatte immer über eine katzenhafte Anmut verfügt und einen festen Stand bewahren können, ganz gleich, wie gefährlich der Boden auch sein mochte, auf dem er sich bewegte, und er behielt auch hier sein Gleichgewicht.
»Ich werde dem Reich Frieden bringen«, antwortete Dagnarus. »Ich werde alle Kriege zwischen den Völkern beenden. Ich werde Auseinandersetzungen ein Ende machen, sodass die Völker in Wohlstand leben können.«
»Der Traum deines Vaters«, sagte der Drache.
»Ich werde ihn Wirklichkeit werden lassen.«
»Als dein Vater den Stein der Könige erhielt, hat man ihm beschieden, er solle sich vor dem bitteren Kern in Acht nehmen«, sagte der Drache der Leere.
»Du vergisst«, antwortete Dagnarus mit einem liebenswerten Lächeln, »dass ich derjenige war, welcher direkt in diesen bitteren Kern geblickt hat.«
»Das habe ich nicht vergessen«, sprach der Drache. »Aber du anscheinend.«
Der Drache breitete die Flügel aus und verschmolz mit der Dunkelheit.
»Du irrst dich«, sagte Dagnarus leise. Er stand immer noch oben auf den Trümmern und sah sich nun um, sah die Zerstörung, die von ihm ausgegangen war. Er sah die Geister, die endlos in den Untergang rannten. Er sah die Asche, den Schutt und die Leichen zwischen den Trümmern.
»Ich habe das alles nicht gewollt«, rief er den Göttern zu und versuchte, mit seinem Blick den brodelnden Nebel zu durchdringen und den Himmel zu sehen. »Es wäre nie geschehen, wenn ihr mir gegeben hättet, was mir bestimmt war. Ich werde das Geschenk nehmen, das ihr meinem Vater gegeben habt, und ich werde tun, was ihr hättet tun sollen!«
Rabe beobachtete staunend den gut aussehenden, aufwändig gekleideten Mann, der mit katzenhafter Anmut und Sicherheit über die Trümmer dessen kletterte, was einmal ein Tempel gewesen war.
»Wer ist dieser Mann?«, fragte er.
»Ko-kutryx«, sagte K'let.
»Dagnarus? Euer Gott?«
K'let verzog höhnisch den Mund. »Ko-kutryx«, wiederholte er und spuckte auf den Boden.
Rabe sah in den leeren Augen des Taan das Spiegelbild des gut gekleideten, mutigen und furchtlosen Mannes.
K'let zeigte auf den Mann, dann legte er den Finger an die Lippen.
Rabe nickte. Sie würden diesem Ko-kutryx folgen und dorthin gehen, wohin er sie führte, ohne es ihn wissen zu lassen.
Dagnarus ging selbstsicher auf sein Ziel zu. Entweder dachte er nicht einmal daran, dass er verfolgt wurde, oder er hatte keine Angst. Er sah sich nicht um. K'let stand auf und bedeutete Rabe, das Gleiche zu tun.
»Was ist mit den vier Paladinen?«, fragte Rabe.
K'let lachte leise und zuckte mit den Schultern. Dagnarus bog um eine Ecke des zum Teil zerstörten Tempels, eines der wenigen Gebäude, die noch standen. K'let und Rabe folgten ihm.
Der Taan bewegte sich rasch über das gerissene, aufgeworfene Pflaster und benutzte seine Zehen mit den langen Klauen, um sich an den zerbrochenen Pflastersteinen festzukrallen. Rabe musste vorsichtiger sein und jeden Schritt genau planen, denn er wollte auf keinen Fall, dass ein Stein unter ihm umkippte und er sich den Knöchel verrenkte.
Er brauchte sich keine Gedanken zu machen, dass der Mann, den sie verfolgten, auf sie aufmerksam werden würde. Das Tosen der nahen Wasserfälle war so laut, dass es schon schwer fiel, auch nur darüber hinweg zu denken,
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