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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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strohgelbem Bart, aus dem Haus treten und Ivar beschimpfen, der ein Schwert mit funkelnder Klinge in beiden Händen hielt. »Wie kannst du es wagen, meinen Sohn zu töten, ohne ihn vor das Thing zu bringen?«, fuhr er ihn an. »Nicht du gebietest über Leben und Tod. Die Stimmen aller freien Männer entscheiden.«
    Ivar antwortete nicht, verriet mit keiner Miene, was er von den Worten seines Bruders hielt. Stattdessen schwang er sein riesiges Schwert mit beiden Händen und schlug ihm den Kopf ab. »Hier hast du meine Antwort!«, rief er höhnisch. Und als Hakons Mutter aus dem Haus gestürzt kam und sich weinend über ihren Mann warf, tötete er auch sie.
    Hakon schreckte aus seinem Traum hoch und blickte erneut in das Gesicht des jungen Mädchens, spürte gleich darauf einen feuchten Lappen, mit dem es ihm das schweißnasse Gesicht abwusch. Er beruhigte sich und blinzelte in die Sonne, die inzwischen aus ihrem Versteck jenseits der Erde hervorgekrochen war und einen Platz zwischen den Wolken gefunden hatte. Es hatte aufgehört zu regnen und versprach ein ruhiger Tag zu werden. Die Plane, die während des Unwetters den Frachtraum geschützt hatte, lag zusammengefaltet auf dem Boden. Das Segel bewegte sich unter einer leichten Brise.
    »Du hast uns schönes Wetter gebracht«, erklang eine dunkle Stimme. Ein Schatten schob sich vor die Sonne und er sah sich einem furchterregenden Krieger mit gewaltigem Brustkorb gegenüber. Er hatte das lange Haar zu zwei Zöpfen gebunden und trug eine schwarze Klappe über dem linken Auge. Die kunstvollen Stickereien auf seinem Gewand wiesen ihn als wohlhabenden Mann aus. »Ich bin Kolfinn, der Jarl der Schafsinseln.«
    »Ich bin Hakon, der Sohn des Knut aus Eisland.« Er wollte sich erheben, um dem Jarl seine Ehrerbietung zu beweisen, war aber noch zu schwach und sank seufzend auf sein Lager zurück. »Verzeih, aber ich war lange im Wasser und brauche noch einige Zeit, bis ich wieder wie ein Mann stehen kann.«
    Kolfinn reagierte mit einer abwehrenden Handbewegung. »Was hat dich in diese missliche Lage gebracht, Hakon?«, fragte er.
    Hakon überlegte, was er dem Jarl antworten sollte. Wenn er ihm die Wahrheit sagte, sah Kolfinn seine Strafe vielleicht als verbindlich an und ließ ihn wieder auf dem Meer aussetzen. »Man hat mich verbannt«, sagte er schließlich. Die Verbannung war die Strafe für einen Mord oder ein schweres Verbrechen. Der Bestrafte musste sich verpflichten, in eine andere Siedlung zu ziehen und nie wieder in seine Heimat zurückzukehren. Er bemerkte das misstrauische Aufblitzen in den Augen von Kolfinn und fügte rasch hinzu: »Ich habe keinen Mord begangen. Ich war bei den Männern, die ein Kloster der Christen überfallen haben, und habe meinem Jan widersprochen.« Das war so nahe an der Wahrheit, wie es nur ging. »Er hat mich ins Meer geworfen.«
    Kolfinn blickte auf ihn herab, zuerst misstrauisch, dann spöttisch, bis er laut loslachte und sich mit beiden Händen den Bauch hielt. Die Männer, die in seiner Nähe standen, blickten ihn erstaunt an. »Man hat dich ins Meer geworfen?«, rief er, immer noch lachend. »Was, zum Henker, hat man sich dabei gedacht? Wollte man dich umbringen, nur weil du vorlaut warst?« Er erwartete anscheinend keine Antwort auf seine Frage. »Wie heißt der Jarl?«
    »Ivar«, antwortete Hakon wahrheitsgemäß.
    »Ivar«, wiederholte Kolfinn und griff sich an den zottigen Bart. »Von dem habe ich schon gehört. Ein unangenehmer Bursche, habe ich mir sagen lassen. Du musst ziemlich tapfer sein, wenn du einem Mann wie ihm widersprichst.«
    »Im Kloster habe ich viele Männer getötet.«
    »Und woher hattest du die Kiste, an der du dich festgehalten hast?«
    »Von Gunnar, meinem Rudernachbarn.«
    »Dann hattest du einen guten Freund«, erwiderte Kolfinn zufrieden. Er betrachtete Hakon eine Weile und nickte dann. »Du kannst bei uns bleiben, Hakon. Du wirst in meinem Haus wohnen. Gunnhild kümmert sich um dich.«
    »Ich danke dir, mein Jarl«, erwiderte Hakon dankbar.

4
    Hakon blickte zu Astrid empor und wollte ihr gerade sagen, wie sehr er sich darüber freute, von ihr gepflegt zu werden, als kräftige Arme das junge Mädchen ergriffen und unsanft gegen die Reling schleuderten. Sie schrie vor Schmerz auf und blieb mit verzerrtem Gesicht liegen. »Aus dem Weg!«, fuhr eine dunkle Frauenstimme sie an. »Jetzt kümmere ich mich um Hakon!«
    Eine Frau beugte sich zu ihm herunter. Sie trug Männerkleidung und unterschied sich lediglich

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