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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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mein Sohn. In Haithabu verkehren die besten Händler der Welt, und selbst ich muss mich vor den geschickten Zungen der Araber hüten, die es verstehen, mit blumigen Worten einen schäbigen Metallsplitter in ein Schmuckstück und ein ausgezehrtes Pony in einen feurigen Hengst zu verwandeln. Doch ich freue mich über deinen Mut. Im Kampf gegen Folkmar hast du bewiesen, dass du ein Schwert zu führen verstehst. In Haithabu wirst du uns zeigen, wie man die Muselmänner aufs Kreuz legen kann. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn.«
    Hakon kam sich ein wenig schäbig vor bei seiner Lüge, bereute sie jedoch nicht. Die Suche nach der bronzehäutigen Frau, die sein Herz und seine Gedanken erobert hatte, rechtfertigte auch die Unwahrheit, die unter aufrechten Nordmännern verpönt war, es sei denn, man saß beim Met oder Beerenwein zusammen und erzählte von den glorreichen Taten, die man bei einem Überfall auf feindliche Dörfer und Klöster vollbracht hatte. Ihm war jedes Mittel recht, um das Buch wiederzufinden und in die Fremde aufzubrechen.
    Gunnhild war weniger begeistert von dem erneuten Aufschub und teilte es ihm auf ihre Weise mit. Als sie ihm auf der tiefgrünen Weide am Berghang begegnete, packte sie ihn am Wams und riss ihn zu Boden. Im taufeuchten Gras warf sie sich auf ihn und fauchte: »Ich kann nicht länger warten, Geliebter. Ich will ein Kind von dir. Ich will dem neuen Jarl unserer Schafsinseln das Leben schenken.«
    Sie bedeckte sein Gesicht mit feuchten Küssen und zerrte an seinem Wams, doch er wehrte sich erfolgreich und schob sie so sanft wie möglich weg. Vor Wut schnaubend blieb sie liegen. »Hast du Angst?«, forderte sie ihn heraus. »Hast du Angst, dass ich schwanger werde?« Doch ihre Wut verrauchte so schell, wie sie gekommen war, und sie musste plötzlich kichern. »Oder bin ich die Erste für dich? Weißt du nicht, was dich erwartet?«
    Er zwang sich zu einem Lächeln. »Lass uns warten, bis wir das Ehegelübde geleistet haben, meine Liebe. So wird unser Bund noch wertvoller. Ich werde dir Perlen und kostbare Stoffe aus Haithabu mitbringen, damit du wie eine Königin in die Ehe gehen kannst. Die Sippe soll stolz auf uns sein.«
    Mit dieser Antwort gab Gunnhild sich zufrieden, wenn es ihr auch schwerfiel, und kehrte zum Haus zurück. Hakon blickte ihr nach und war sich der neugierigen Blicke zweier Frauen, die sich am Brunnen unterhielten, nur allzu bewusst. Natürlich tuschelte man über ihre geplante Hochzeit. Jeder fragte sich, ob er es tatsächlich wagen würde, eine mächtige Frau wie Gunnhild zu heiraten. Und was er tun würde, wenn er sich der derben Tochter des Jarls nicht gewachsen fühlte. Außer Folkmar, der durch die Hochzeit zu Ansehen und Reichtum hatte kommen wollen, war niemand an der Heirat mit Gunnhild interessiert gewesen. Die wohlhabenden Männer hatten sich sogar gefürchtet, von Kolfinn als Ehemann ausgewählt zu werden. Wer mit Gunnhild zusammenlebte, so erzählte man, hatte wenig zu lachen und durfte sich nicht mal nach einer Sklavin umsehen. Die »Walküre« würde Untreue mit dem Schwert bestrafen.
    Während der folgenden Nacht schlief Hakon sehr schlecht. In seinen Träumen bezichtigte man ihn der Lüge und des Betrugs, und er sah sich bereits wieder im aufgewühlten Meer treiben, ohne eine rettende Holzkiste, an die er sich klammern konnte.
    Er schreckte aus dem Schlaf und starrte in die Überreste des Herdfeuers, das in der Mitte des Langhauses brannte. Würde er Kolfinn und den anderen Männern in Haithabu tatsächlich entkommen? Was würde Gunnhild tun, wenn es ihm gelang, die Inseln für immer zu verlassen? Würde sie ihn verfluchen oder mit einer Streitmacht nach ihm suchen, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen? War das Land, in dem die unbekannte Frau aus dem Buch lebte, weit genug entfernt?
    Vorsichtig blickte er sich um. Alle schliefen, auch Gunnhild, die nur wenige Schritte von ihm entfernt in ihren Decken lag. Kolfinn schnarchte leise. Es roch nach dem Fisch, den sie am Abend gegessen hatten, und dem Kohl, der übrig geblieben war. Durch die Windlöcher im Dach war flackerndes Nordlicht am Himmel zu sehen, ein sicheres Zeichen dafür, dass am nächsten Morgen schlechtes Wetter kommen würde.
    Weil er sich plötzlich beengt fühlte und beim lauten Schnarchen des Jarls ohnehin nicht mehr einschlafen konnte, stand Hakon auf und schlich im Schein des Feuers nach draußen. Vor der Tür atmete er die kühle Nachtluft ein. Er lief zu dem Pfad, der zur Küste

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