Der Stein der Wikinger
dann entscheiden würde.
Ivars Tonfall änderte sich, wurde herablassend. »Dann geh, du Feigling! Geh nur! Ich werde den Göttern sogar ein Opfer bringen, damit du dein fernes Ziel erreichen wirst. Weißt du, wen ich opfern werde, Hakon? Ein Schaf oder ein Rind kann ich nicht entbehren, es wäre auch nicht ausreichend, um den Zorn der Götter zu mildern. Sie verlangen ein Menschenopfer! Ich werde Edwin, den Sklaven, den Flammen übergeben!«
Obwohl er bereits wusste, dass der Einarmige Edwin opfern wollte, blieb Hakon zornig stehen. Er wollte nach seinem Schwert greifen, doch das hing am Sattel von Gunnars Pferd und er fand nur die leere Schlinge. Beinahe zitternd vor unterdrücktem Zorn ging er weiter. Das höhnische Lachen des Jarls verfolgte ihn bis in die Pferdeschlucht.
24
Noch in vielen Wintern würde Hakon sich fragen, warum er sein Leben riskiert hatte, um einen Sklaven zu retten. Ein Abhängiger war weniger wert als eine Kuh oder ein Schaf, kein freier Mann weinte ihm eine Träne nach. Wer einen Sklaven tötete, hatte nichts zu befürchten. Wer eine Sklavin missbrauchte, wurde wegen seiner Manneskraft bewundert. Auch wenn der neue Glaube vorschrieb, alle Sklaven freizulassen, wäre jeder andere Mann davongeritten, ohne einen Gedanken an Edwin zu verschwenden.
Doch Hakon lebte jetzt als Vogelfreier nach seinen eigenen Gesetzen. Auch wenn er nur kurze Zeit mit Edwin verbracht hatte, hegte er eine gewisse Bewunderung für ihn. Edwin war gebildet und wusste mehr als die meisten Nordmänner. Er war keiner dieser dummen Knechte, die vor dem Jarl buckelten und um eine kleine Vergünstigung buhlten. In seiner alten Heimat war er bestimmt kein Sklave gewesen.
Hakon überlegte nicht, welche schwerwiegenden Folgen sein Vorhaben nach sich ziehen konnte. Er hörte ausschließlich auf seine innere Stimme, und die sagte ihm, den Sklaven zu befreien. Er hatte weder einen Plan noch eine Idee, wie er vorgehen sollte, verließ sich allein auf seinen Instinkt. In kritischen Situationen waren die Götter letztendlich immer auf seiner Seite gewesen. Ob der neue Christengott auch zu ihm hielt?
In der Pferdeschlucht hatten Gunnar und Hakon einige Mühe, ihre Pferde zwischen den vielen anderen Reittieren zu finden. Außer ihnen waren nur noch die Sklaven in der Schlucht, die auf die Pferde aufpassten und ihnen Futter und Wasser brachten. Sie würden sich Hakon nicht in den Weg stellen. Die meisten Sklaven verbeugten sich ehrfürchtig vor ihnen und schienen erleichtert zu sein, nicht von ihnen beschimpft zu werden.
Ihre Pferde wieherten erfreut, als die beiden Männer sich näherten. Gunnar zog das Messer und durchtrennte die Fesseln seines Gefangenen. Ahnungslos zog er dessen Schwert aus der Schlinge am Sattel. Er betrachtete die funkelnden Silberarbeiten am Knauf und sagte: »Eine erstklassige Waffe. Fränkisch?«
»Von einem Schmied auf den Schafsinseln«, antwortete Hakon.
»Gute Arbeit. Ich gebe es dir nur ungern.«
Hakon griff nach dem Schwert und wog es in der Hand. Wenn er etwas unternehmen wollte, musste es jetzt geschehen. Sobald sie die Pferdeschlucht verlassen hatten, war die Chance, den Sklaven zu befreien, vorüber. Noch bevor Gunnar in den Sattel stieg, musste er zuschlagen, auch wenn es ihm schwerfiel, mit der Waffe auf einen Mann loszugehen, der so großen Anteil daran hatte, dass er noch am Leben war. Doch wenn er sein Ziel erreichen wollte, durfte es kein Mitleid geben.
Ohne weiter zu überlegen und mit einem falschen Lächeln im Gesicht, hob er sein Schwert und ließ es mit der flachen Seite auf den Schädel seines Begleiters niedersausen. Der Schlag kam so überraschend, dass nicht mal ein Stöhnen über Gunnars Lippen kam. Mit verdrehten Augen stürzte er zu Boden. Einige Pferde bewegten sich schnaubend zur Seite, aber nicht einmal die Sklaven, die einige Schritte weiter die Tiere fütterten, wurden auf ihn aufmerksam.
»Tut mir leid«, flüsterte Hakon, »du hast viel für mich getan.«
Er schob sein Schwert in die Schlaufe am Gürtel und stieg in den Sattel seines Pferdes. Nachdem er die Zügel aufgenommen hatte, griff er auch nach den Zügeln von Gunnars Pferd. Mit ihm im Schlepptau ritt er langsam, um kein Aufsehen zu erregen, auf den Ausgang der Schlucht zu. Solange er den Kopf gesenkt hielt, bestand kaum Gefahr, dass man ihn erkannte. Bei den vielen hundert Nordmännern, die sich in den Schluchten am Rechtsfelsen aufhielten, war er nur einer unter vielen.
Die Wegbeschreibung zu der
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