Der steinerne Engel
Zuflucht, wie man sie Freunden bietet. Natürlich war auch Mallorys Freundschaft nicht zu verachten. Nicht dass er damit je zufrieden gewesen wäre, aber ...
Red keinen Stuss, hätte Mallory gesagt.
Charles beschloss, damit aufzuhören, sich selbst etwas vorzumachen, und sah auf die Uhr. So langsam musste er daran denken, Rikers Koffer im Hotel abzuholen und ihn zum Flugplatz zu bringen. r.
Die Gläser waren endgültig geleert, die Haustür stand offen – da löste sich eine von Charles kreisenden Fledermäusen aus ihrer Formation. »Würde mir jemand verraten, wer Babe Laurie umgebracht hat?«, fragte er.
Riker war sichtlich unangenehm berührt und stellte sich taub. Henry lächelte ebenso freundlich wie undurchdringlich und tat, als ginge ihn das alles nichts an. Tom Jessop hielt Lilith höflich die Tür auf, und sie entkam, während sich Charles Butlers erwartungsvoller Blick voll auf den unglücklichen Sheriff richtete.
Der holte tief Luft. »Wenn Sie versprechen, dass es unter uns bleibt...«
»Meinetwegen.«
»Fred Laurie. Seit Kathys Hund verschwunden ist, hat man auch Fred nicht mehr gesehen. Der Dreckskerl hat schon mal versucht, den Hund umzubringen. Ich denke mir, dass er diesmal ganze Arbeit geleistet und sich danach schleunigst aus dem Staub gemacht hat. Zwei Zeugen haben ihn mit einer Flinte im Wald gesehen.«
Der Hundemord war damit geklärt, aber ...
»Finde ich durchaus überzeugend.« Augusta rieb an einem unsichtbaren Fleck auf ihrem Weinglas herum.
Mallory starrte die Dielenbretter an. »Vermutlich ist das Motiv Babes Sohn?«
»So sehe ich das auch«, bestätigte der Sheriff. »Der Junge gehörte streng genommen Fred und nicht Babe. Einer von ihnen ist ausgeflippt, und sie haben es auf der Straße ausgetragen. Der Bericht ist schon geschrieben und ein Haftbefehl für Fred Laurie ausgestellt.«
Mallory und Augusta wechselten einen Blick, den Charles sich zunächst nicht erklären konnte. Als ihm dann eine mögliche Deutung dämmerte, beeilte er sich, den Gedanken wieder zu verdrängen. Er wollte gar nicht wissen, wie viele Leichen unter den Steinen an der Spitze des Finger Bayou liegen mochten.
Nur dass Fred Laurie seinen Bruder nicht umgebracht hatte, stand für ihn jetzt fest. Die Übereinstimmung dieser Gesellschaft von Meisterlügnern war einfach zu groß, um wahr zu sein.
»Was für Beweise liegen gegen Fred Laurie vor?«, fragte er, obwohl er wusste, dass er damit die anderen gegen sich aufbrachte. »Braucht man für einen Haftbefehl nicht etwas Handfesteres als einen Verdacht?«
»Mir liegt das Geständnis von Travis vor«, gab Jessop zurück. »Darin nennt er Fred als den Mörder. Riker war dabei und hat eine entsprechende Aussage zu Protokoll gegeben.«
Riker hatte eine Streichholzschachtel aus der Tasche gezogen und betrachtete sie mit der Hingabe eines Forschers, der gerade einen seltenen Fund zutage gefördert hat.
Der Sheriff brach das lastende Schweigen. »Wenn Sie wollen, fahre ich Sie jetzt in die Stadt, Riker, wir holen Ihr Gepäck, und ich bringe Sie zum Flughafen.«
Riker war von diesem Vorschlag sichtlich angetan und bewegte sich trotz seiner Blessuren auffallend behende zur Tür.
Tom Jessop wandte sich an Mallory. »Kommst du zum Prozess wieder her? Unbedingt nötig ist deine Aussage allerdings nicht. Unsere Leute drängen sich geradezu darum, als Zeugen der Anklage aufzutreten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin mit Dayborn fertig.«
Nachdem sie sich in der Auffahrt von Augusta verabschiedet hatten und Riker mit dem Sheriff weggefahren war, hob Charles den schweren Karton auf die Rückbank des silberfarbenen Mercedes.
In dem Karton tickte etwas mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks.
Er sah Mallory an. Dass sie eine Zeitbombe zwischen die Sachen ihrer Mutter geschmuggelt hatte, traute er ihr denn doch nicht zu.
»Ein Metronom«, sagte sie. »Das Pendel hat sich wohl gelockert.«
Er setzte sich ans Steuer, und sie nahm neben im Platz. »Erinnerst du dich noch an Iras Klavierstunden?«, fragte er.
Sie nickte. »Wir haben Duette gespielt. Damals waren zwei Instrumente im Haus, der Stutzflügel meiner Mutter und ein älteres mechanisches Klavier. Manchmal haben wir uns musikalische Wettrennen geliefert.«
Das Metronom tickte einen Viervierteltakt. Die Vogelstimmen in den Bäumen um sie herum weigerten sich, den Rhythmus aufzunehmen.
»Warum ist er an jenem Tag zu euch ins Haus gekommen, Mallory? Hat deine Mutter ihm, nachdem Iras Vater seine
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