Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
Vom Netzwerk:
wenn sie reiten ging.« Eine große runde Schachtel zerfiel ihr unter den Händen, und der schwarze Hut rollte auf den Teppich. Augusta hob ihn auf, strich die breite Krempe gerade und drehte ihn zwischen den Händen.
    »Das blonde Haar verdeckt er nicht ganz.« Sie griff wieder in den Schrank. »Aber damit lässt sich vielleicht was machen.« Sie streckte Mallory ein schwarzes Tuch hin.
    Mallory hatte die Vorhänge vor einem weiteren Fenster zurückgezogen. Jetzt strömte das Licht in breiter Bahn in den Raum und vertrieb die Schatten in den Ecken. Sie wandte sich wieder dem Spiegel zu und begutachtete die weiße Leinenbluse. Der romantische Faltenwurf entsprach ganz und gar nicht ihrem Geschmack, denn sie bevorzugte strenge Linien, aber er verbarg die Verbände. Sie legte das Schulterhalfter an und zuckte zusammen, als es die Wunde streifte.
    »Du musst den Revolver anders tragen«, sagte Augusta zu ihrem Spiegelbild. »Die linke Schulter wird noch eine Weile empfindlich sein, ich schätze, dass du eine Woche in deiner Beweglichkeit eingeschränkt bist. Aber die gelbe Katze ist mit schlimmeren Verletzungen heimgekommen, und sie hat's auch überstanden.«
    Ein Gespräch fortsetzend, das sie beim Frühstück begonnen hatte, fragte Mallory: »Warum hat Iras Vater Selbstmord begangen?«
    »Selbstmord? So dramatisch darfst du das nicht sehen. Iras Vater war nie ein besonders guter Autofahrer. Der Wagen hatte schon jede Menge Beulen, ehe er in den Telefonmast gerast ist.« Sie zog eine Kommodenschublade auf und kramte darin herum. »Vielleicht können wir dein Holster an einem Gürtel befestigen.«
    »Die Versicherung hat die Zahlung verweigert«, sagte Mallory. So viel hatte sie dem Computer des Versicherungsvertreters vor Ort entnommen, aber der Bericht des Ermittlers war schlampig und unvollständig gewesen, er enthielt wenig mehr als die paar Daten, die sie schon aus dem Computer des Sheriffs kannte, und eine Beschreibung des Unfallorts.
    »Gewiss, der Versicherungsmensch hat sich zuerst ein bisschen geziert, aber dann hat er die ganze Summe gezahlt.« Augusta hielt einen schmalen Lederstreifen hoch, warf einen Blick auf Mallorys schwere Waffe und legte ihn kopfschüttelnd beiseite. »Darlene konnte mit dem Geld ihr Haus von der Neuen Kirche zurückkaufen, das ihr Mann dieser vermacht hatte, wie sich später herausstellte.«
    »Ich denke, die Neue Kirche besteht nur aus Lauries.«
    »Nicht ausschließlich. Ich glaube nicht, dass Iras Vater ein besonders frommer Mensch war, er wollte durch die Schenkung einfach Steuern sparen. Wer der Kirche sein Haus überschreibt, kann bis an sein Lebensende mietfrei darin wohnen.« Sie hatte einen breiten Gürtel mit schöner Schnalle gefunden. »Der ist schon besser.« Sie gab ihn Mallory. »Deshalb gehören jetzt Malcolm die vielen Grundstücke in bester Lage am unteren Teil des Bayou. Er hat es geschafft, diesen Holzköpfen einzureden, dass Geben besonders in diesem Fall seliger ist denn Nehmen und dass man Geld am besten dadurch spart, dass man erst gar keins verdient.«
    Mallory schob den Gürtel durch ihr Holster. »Aber warum wollte die Versicherung nicht zahlen? Da muss doch ...«
    »Reine Routine. Das machen die immer so, wenn ein paar Tage vor dem Tod etwas an der Police geändert wird. Ursprünglich sollte die Versicherungssumme an die Neue Kirche gehen. In der späteren Police war dann Darlene als die einzige Begünstigte angegeben.«
    Iras Vater hatte sich demnach mit der Neuen Kirche überworfen, bevor er - laut Bericht von Deputy Travis - seinen Wagen frontal und ohne abzubremsen an einen Telefonmast gefahren hatte.
     
    Es war kälter geworden. Charles knöpfte seine neue Baumwolljacke zu, während er von Darlene Wooleys Veranda aus beobachtete, wie sich der Marktplatz belebte. Fußgänger liefen an ihm vorbei, Wagen passierten langsam den Brunnen, Bekannte grüßten sich und wechselten ein paar Worte über das Wetter und die Gesundheit. Ira würde nie ganz zu diesem Leben gehören, das Dasein des Autisten drehte sich vor allem um das eigene Ich - aber wäre auch nur einem dieser so genannten normalen Menschen da draußen aufgefallen, dass ein Stern verschwunden war?
    Hinter ihm öffnete sich die Tür. Darlene Wooley wirkte müde, aber sie lächelte.
    »Ich dachte, Sie wären abgereist, Mr. Butler?« Sie trat beiseite und ließ ihn ein. »Ich muss bald zur Arbeit. Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten? Er ist schon fertig, ich hole nur noch eine zweite

Weitere Kostenlose Bücher