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Der steinerne Kreis

Der steinerne Kreis

Titel: Der steinerne Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Tritium-Exposition vermuten ließen? Dann hätten die Parapsychologen die Explosion im Rahmen eines extremen Experiments absichtlich ausgelöst. Irgendetwas war schiefgegangen, Menschen waren umgekommen – ein ganzes Volk! –, aber die Zauberlehrlinge hatten ihr gewünschtes Ziel erreicht. Ihre Kräfte waren unter der nuklearen Bestrahlung gewachsen. Die Männer waren Magier geworden. Die Magier des Atomzeitalters.
    Während sie entschlossen den Wald durchquerte und ihr Blut sich im Rhythmus ihrer Schritte aufheizte, richtete sich Diane nach und nach in dieser Interpretation ein. So passte alles zusammen. Der Unfall war die Folge einer Sabotage, die eine Hand voll Wissenschaftler inszeniert hatte. Das war der Grund, weshalb Talich sie jetzt jagte und an der Schwelle des Todes behandelte wie Schlachtvieh.
    Und es war wohl auch der Grund, weshalb die Männer zu dem steinernen Ring zurückkehrten: um das Experiment zu wiederholen, sich neuerlich der Bestrahlung auszusetzen und ihre Kräfte zu erneuern …
    Diane blieb stehen. Auf dem höchsten Punkt der Kuppe angelangt, erkannte sie durch die Nebelschleier hindurch ein weiteres Tal.
    Und in der Mitte der Senke den gewaltigen Ring des Tokamak.
     
     
     
KAPITEL 61
     
    Diane musste unwillkürlich an eine Stadt denken. Rund um den steinernen Ring ballte sich ein Labyrinth von Gebäuden und rostigen Strukturen, die sich über mehrere Hektar hinzogen und in der Ferne im Nebel verloren. Rechts, am Fuß der Anhöhe, standen die Turbinen des Elektrizitätswerks, das die Anlage gespeist hatte. Sie begann mit dem Abstieg. Nach einer Weile erkannte sie hinter den Gebäuden die aus dem Fels herausgesprengte, inzwischen halb verschüttete Trasse für die Eisenbahn und eine Zufahrtsstraße. Mit Hilfe dieser Infrastruktur hatten die Sowjets Arbeiter und das nötige Material für den Bau des Reaktors herangeschafft. Diane schwindelte bei dem Gedanken daran, wie viele Ingenieure, Arbeiter und Rubel das Projekt verschlungen hatte, das in einem mörderischen Brand geendet war.
    Auf der Talsohle angelangt, umrundete sie den Ring von der Westseite her. Nach und nach ersetzten Betonplatten den Grasboden. Über Geröll und Schrottteile hinweg betrat sie das erste Gebäude: Der Raum war durch Zwischenwände unterteilt, die einst verglaste Fenster gehabt hatten.
    Durch einen Korridor gelangte Diane in einen betonierten Innenhof, dessen Wände vom Frost gesprungen waren; der Boden war mit Bauschutt und Kiefernnadeln bedeckt. Rotschnäbelige Möwen flogen auf, als sie näher kam, das Geflatter und ihr Geschrei hallten von den Betonmauern wider, und ihre Schnäbel hinterließen eine rote Farbspur vor den grünlichen Wänden. Diane empfand keinerlei Furcht. Die Anlage war derart riesig, derart menschenleer, dass sie ihr unwirklich vorkam. Sie bog nach links ab und gelangte in einen Block, durch dessen Fenster das Morgenlicht hereinfiel. Sie ging weiter, vorbei an rissigen Mauern, aus denen Heidekraut und Beeren herauswuchsen, durchquerte weitere Säle mit gesprungenen Labortischen, gigantischen Apparaten, obskuren Maschinen. Ein Stück weiter entdeckte sie eine Treppe, die in ein tieferes Stockwerk hinabführte. Sie schaltete ihre Lampe ein. Am Fuß der Treppe versperrten ihr senkrechte Gitterstäbe den Weg. Sie drückte gegen das Tor, das offen war. Sie bezwang ihre Nervosität und betrat die finstere Röhre, und es schien ihr, als füllte ihr Atem den gesamten Raum.
    Anscheinend befand sie sich in einem Kerker. Der Lichtstrahl ihrer Taschenlampe glitt über Reihen von Zellen auf beiden Seiten des Saals – einfache Abteile, durch niedrige Mauern voneinander getrennt, die am Boden verschweißten Ketten noch sichtbar. Diane dachte an die aus Gefängnissen und sibirischen Straflagern »importierten« Schamanen, sie dachte an die psychiatrischen Anstalten in Russland, wo Tausende von Dissidenten »behandelt« worden waren. Was hatte sich hier abgespielt, in dieser hochgeheimen Anlage? Sie meinte noch den Widerhall des Wimmerns und Ächzens der Gefangenen zu hören, die fassungslos und zitternd vor Kälte ihr ungewisses Schicksal erwarteten.
    Im Licht der Taschenlampe entdeckte sie eine in die Wand geritzte Inschrift und trat näher. Es waren kyrillische Buchstaben, die sie jedoch sofort wiedererkannte – im Kurschatow-Institut hatte sie den Namen geschrieben gesehen: TALICH. Daneben stand noch ein Wort, das sie nicht lesen konnte, doch dahinter folgte eine Jahreszahl: 1972. Ihr Kopf begann zu

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