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Der steinerne Kreis

Der steinerne Kreis

Titel: Der steinerne Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sah Diane die Holzhäuser deutlicher. Es war eine ziemlich ausgedehnte Ansammlung dunkelbrauner Gebäude, von einem Zaun umgeben. Auf der linken Seite lagen Wiesen, auf denen im Sommer sicher Pferde weideten. Rechts ging der Weg durch farbige Tore zu den Spielplätzen.
    Sie parkte den Wagen unter einer Gruppe von Fichten. Tief atmete sie die kühle Luft, den Harzgeruch, den Duft von frisch gemähtem Gras ein. Es war völlig still. Kein Vogelgezwitscher, kein Fliegengesumm. Die Ruhe vor dem Sturm? Sie ging auf das Hauptgebäude zu, während sie sich bemühte, ihre Bedenken zu zerstreuen.
    Sie trat durch die Rundholztür und durchquerte eine geräumige, tannenholzgetäfelte Diele, die an einer Seite von niedrigen Garderobehaken gesäumt war. Durch die Panoramafenster gegenüber sah sie zwischen den beiden Flügeln der Ranch einen großen Innenhof, der bis zu einer baumbestandenen Anhöhe hinaufführte. Dahinter war der See zu erkennen. Hier in diesem Sommerlager für Kinder wirkten die Stille und Leere noch eindringlicher und bedrückender.
    Diane entdeckte einen Flur, auf den sich mehrere Zimmer öffneten. Mit vorsichtigen Schritten ging sie den Gang entlang. An den hölzernen Wänden hingen Webdecken mit naiven Motiven, wie gemalte Bilder. Durch die offenen Türen sah sie bunte Hocker, rosarote und violette Tapeten, Ballonlampen aus Reispapier. Das Ganze erinnerte stark an die siebziger Jahre – ihrer Mutter hätte der Ort gefallen.
    Sie ging weiter. Sie blickte in ein Spielzimmer, in dem es Tischtennisplatten und Tischfußball gab; in einem anderen Raum, der mit Kissen ausgelegt war, stand ein Fernsehapparat.
    Am Ende des Flurs stieß sie auf einen kleinen Käfig, aus dem Körner und Sägemehl auf den Boden herausgefallen waren. Diane blieb kurz stehen: Sein einstiger Bewohner, ein Meerschweinchen oder Hamster, hatte wohl ebenfalls die Koffer gepackt.
    Endlich gelangte sie zu einem geräumigen Büro – dem administrativen Herz der Ranch –, und aus ihren Befürchtungen wurde Gewissheit. Wieder kam sie zu spät. Der Raum war völlig auf den Kopf gestellt worden. Ein Eichenschreibtisch war umgestürzt, die Stühle lagen durcheinander, die Schränke waren ausgeweidet – die Aktenordner herausgerissen, der Inhalt der Karteikästen auf dem Boden verstreut.
    Wo ist Irène Pandove, dachte Diane und wagte nicht weiterzudenken. In diesem Moment fiel ihr Blick auf die Bilderrahmen an der Wand, die dem Gemetzel entgangen waren. Alle Fotos zeigten dieselben zwei Personen: eine blonde Frau, ungefähr Mitte fünfzig, und einen Mann asiatischen Typs, sehr klein, mit faltigem Gesicht und schalkhaftem Lächeln. Auf manchen Fotos küssten sich der Mann und die Frau, auf anderen hielten sie einander an der Hand. Die Bilder strahlten eine erstaunliche Lebensfreude aus. Und nebenbei erzeugten sie einen leicht komischen Eindruck – die Frau war gut fünfzehn Zentimeter größer als der Mann, der auf jedem Foto einen kurzen Pelzmantel mit aufgestelltem Kragen trug. Ohne zu wissen, weshalb, nahm Diane einen Rahmen von der Wand, zerbrach das Glas an der Tischkante und steckte das Foto ein.
    Als sie wieder aufschaute, fiel ihr Blick auf einen Artikel, der ebenfalls hinter Glas ausgestellt war. Als Verfasser des Textes, den die für wissenschaftliche Publikationen sehr renommierte Zeitschrift Science veröffentlicht hatte, zeichnete Dr. Jewgenij Talich. Diane zuckte zusammen: Das war der Name, den Langlois ihr genannt hatte. Der 1978 in den Westen emigrierte Leiter des TK 17. Sie nahm den Rahmen von der Wand und überflog den englischen Text. Sie begriff nichts davon – es ging um Kernphysik, um Wasserstoffisotope –, aber sie wunderte sich nicht, als sie das Foto des Autors betrachtete: Es war der kleine Faltige von den Bildern an der Wand. Sie befand sich im Haus des übergelaufenen Physikers.
    Mit dieser Erkenntnis gingen ihr weitere Lichter auf. Zunächst begriff sie, dass Jewgenij Talich kein kaukasischer Russe war, wie sein Name vermuten ließ, sondern Asiate, vermutlich sibirischer Herkunft. Außerdem wusste sie nun – freilich ohne zu ahnen, was das bedeutete –, dass dieser Mann zusammen mit seiner Frau einen kleinen Jungen adoptiert hatte, der aus der Umgebung des Tokamak stammte. Warum? Was erwartete er von dem Kind? Wieder zerbrach Diane die Glasscheibe und steckte auch den Artikel ein.
    Als sie weitersuchte, stieß sie auf die Fotokopie einer Liste aller Flüge nach Ulan Bator via Moskau, fand jedoch keinen Hinweis auf

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